Der Frühling ist da und treibt uns nach diesem langen Corona-Winter mehr denn je raus in die Sonne. Am Wochenende sind die bekannten Radwege schon unfassbar voll – für viele sicherlich auch schon zu voll in diesen Zeiten. Daher möchte ich Euch mal wieder einen Tourentipp etwas abseits der bekannten Hauptrouten geben. Unsere Entdeckertouren führen Euch ja meistens an Orte, die nicht ganz so überrannt sind.
Radtouren durch den Duisburger Hafen
Dieses Mal habe ich es mir sogar selber ganz einfach gemacht. Denn mein Tourentipp durch den Duisburger Hafen stammt nicht direkt von mir, sondern ist Teil von gleich mehreren Tourenvorschlägen, die der Hafen Duisport selber als Radtourentipps präsentiert. Dafür hat Duisport auch eine schöne Komoot-Collection angelegt:
Ich teste für Euch die mit rund 50 Kilometern längste Tour, die nach Süden bis Krefeld führt. Dabei habe ich einige wenige Passagen minimal den aktuellen Verhältnissen angepasst, um ein noch besseres Raderlebnis zu bekommen.
Das ursprüngliche Ruhrgebiet per Rad erleben
Eines sei direkt zu Anfang gesagt: Diese Rundtour ist keine leichte Einsteigertour und somit nicht wirklich für Familien mit Kindern geeignet. Wer Natur und Entspannung sucht, ist auf dieser Tour ebenfalls falsch. Diese Radtour führt Euch mitten rein in den größten Binnenhafen der Welt (je nach Definition) und ein Hafen ist halt immer turbulent, manchmal auch etwas stressig und dreckig. Dafür erlebt man aber auch das echte, das kernige Ruhrgebiet! Also keine romantisierte Postenkartenidylle, sondern den ursprünglichen Pott mit harter Maloche und eben auch der ein oder anderen Schattenseite einer Arbeiterregion. Ich selbst liebe das Ruhrgebiet und daher ist die Runde für mich auch eine absolute Top-Tour die ich sehr empfehlen kann.
Mein Kumpel Pascal begleitet mich auf der Tour und ist für die passende Bebilderung dieses Artikels verantwortlich. Denn auch das vorweg: die Tour ist auch für Fotografen ein kleiner Leckerbissen. Die gewaltigen Industrieanlagen und Hafenmotive lassen sich wunderbar für die Kamera in Szene setzen.
Los geht’s am Binnenschifffahrtsmuseum in Duisburg
Die Tour startet direkt am Museum der deutschen Binnenschifffahrt in Duisburg am Knotenpunkt 27. Hier gibt es zahlreiche Parkplätze am Straßenrand. Wer mit dem Zug anreist, kann die Tour aber auch am Hauptbahnhof starten. Zum Einstieg in diese Hafentour empfehle ich Euch, eine Runde durch das Museum zu drehen (informiert Euch vorab über die coronabedingten Einschränkungen). Hier erhaltet Ihr einen tollen Einblick in die Binnenschifffahrt und die Geschichte des Hafens. Für Pascal und mich geht es heute aber direkt los: Wir radeln über kleinere Stadtstraßen erstmal zum Rhein und blicken schon nach wenigen Pedalumdrehungen auf das erste Hafenbecken.
Rheinromantik
Das Wetter könnte Ende Februar kaum besser sein, die Sonne strahlt mit voller Kraft und wärmt uns schon ordentlich auf. Schnell geht es an den markanten Brücken-Türmen in Ruhrort vorbei über den breiten und vielbefahrenen Rhein auf die westliche Flussseite.
Nach einem Abschnitt mit ein wenig Straßenverkehr stehen wir schon vor einem weiteren Hafen-Denkmal: dem Homberger Hebeturm am ehemaligen Eisenbahnhafen. Bevor die Rheinbrücken eine schnelle und sichere Querung des Rheins ermöglichten, wurden hier die Güterwagons auf entsprechende Fähren gehoben, die je na Wasserstand unterschiedliche Höhen hatten. Die Fähren hießen Trajektschiffe und konnten bis zu 32.000 Eisenbahnwagons pro Jahr über den Rhein bringen!
Links von der (aktuell gesperrten) hölzernen Rampe führt uns der Weg direkt zum Rhein. Doch wir schaffen nur wenige Meter, denn schnell sieht Pascal eine herrlich fotogene, blau strahlende Wand mit Markierungen der Hochwasserstände der letzten Jahrzehnte. Es ist schon gewaltig, wie sehr der Wasserpegel des Rheins doch variieren kann.
Radeln auf dem Leinpfad direkt am Rhein
Wir radeln nun auf dem früheren Treidelpfad direkt am Rhein. Einst zogen hier die Pferde die Binnenschiffe den Rhein hoch. Dabei waren manchmal über 30 Pferde vor ein Schiff gespannt. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts gehörte dieser Abschnitt dann zur ersten sogenannten Tauerstrecke, auf der kräftige Schlepper Frachtschiffe mit Tauen den Rhein flussaufwärts zogen. Heute geht es mit dem Rad sicherlich deutlich entspannter flussaufwärts. Wobei der Weg zunächst schon eher etwas rustikal ist aber bald besser wird. Hebekräne säumen die Strecke und versprühen lässige Hafenromantik. Wir sind unter der Woche unterwegs und es ist nicht so viel los. Vermutlich sieht das am Wochenende aber anders aus, denn diese herrliche Rheinpromenade zieht Besucher sicherlich magisch an. Auf der anderen Flussseite leuchtet die Bramme der Rheinorange direkt an der Mündung der Ruhr.
Eine „Bergwertung“ muss einfach sein
Es geht weiter am Rhein entlang flussaufwärts. Unterhalb der A 40 Autobahnbrücke müssen wir etwas schauen, wie die Route verläuft. Denn hier ist aktuell eine Großbaustelle, weil eine komplett neue Rheinbrücke gebaut wird. Danach ist aber wieder Genussradeln oberhalb des Rheins angesagt… einfach nur herrlich.
Gegenüber eines kleinen Modelflugplatzes, der mitten in den Rheinauen liegt (als wir da waren hat ein echter Profi unfassbare Flugkunststücke vollzogen – sehr sehenswert!), lohnt sich die kurze aber durchaus etwas steilere Auffahrt auf die Halde Rockelsberg. Von oben habt Ihr einen tollen Ausblick auf den Rhein.
Tetris in XXL – der Containerumschlagplatz am Logport I
Noch ein Stückchen geht es für uns am Rhein entlang, dann folgt ein wenig Stadtverkehr. Sicherlich könnte man auch weiter geradeaus am Rhein entlang radeln, dann würden wir aber den gewaltigen Containerumschlagplatz vom Logport I verpassen. Riesige blaue Kräne spielen mit den vielen Containern quasi Tetris – ich bin vollkommen fasziniert von diesem Ort und kann nicht so ganz verstehen, wie man bei so vielen Containern den Überblick behält. Das Gelände ist ein Paradebeispiel für den Strukturwandel, denn einst stand hier das berühmte Stahlwerk von Rheinhausen, das in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts geschlossen wurde. Heute spielt das Areal eine herausragende Rolle als Logistikzentrum und es gibt mehr Arbeitsplätze, als in den letzten Jahren des Hüttenwerks.
Achtung – Wichtiger Sicherheitshinweis
An dieser Stelle muss ich Euch einen deutlichen Sicherheitshinweis geben: Wir sind hier mitten im Hafengelände und ich habe noch nie so ein LKW-Aufkommen erlebt. Man spürt, wie sehr die LKW-Fahrer unter Stress stehen. Wir Radler sind hier wirklich nur Gäste – sehr kleine Gäste in dieser riesig wirkenden Umgebung. Für Radfahrer gilt daher: der LKW hat IMMER Vorfahrt und wir denken auf dem Rad für alle um uns herum mit, bleiben lieber einmal mehr stehen und gehen davon aus, dass der LKW-Fahrer uns nicht sehen kann!
Kontrastprogramm – Vom Containerterminal zum Landidyll in wenigen Minuten
Wir passieren eine Arbeitersiedlung und radeln dann wieder auf dem Rheindeich. Die Dorfkirche Friemersheim ist selbst unter der Woche gut von Ausflüglern besucht. Obwohl wir nur ein kleines Stückchen vom turbulenten Containerterminal zurückgelegt haben, befinden wir uns hier in einem wirklich beschaulichen, ländlichen Dörfchen – richtig schick!
Wenig später rollen wir an einem kleinen See vorbei und steuern als nächstes Highlight einen riesigen Wasserturm an. Heute dient diese weithin sichtbare Landmarke als Wohnhaus. Drumherum befindet sich die nette Eisenbahnsiedlung mit schönen Arbeiterhäusern gelegen.
Grenzgänger – ein kurzer Abstecher nach Krefeld
Wir radeln weiter und verlassen schließlich das radrevier.ruhr und das Ruhrgebiet, wobei wir keinen wirklichen Unterschied feststellen. Wir sind nun in Krefeld, das an dieser Stelle sehr urban und industriell geprägt ist.
Direkt vor der Rheinbrücke gibt es eine kleine Minipromenade, an der wir den Ausblick auf die Brücke und den Rhein genießen. Dann geht es weiter über die Brücke auf die andere Rheinseite zurück.
Die etwas andere „Hüttentour“
In Mündelheim, das wieder zu Duisburg gehört, lohnt sich (wenn die Gastronomie wieder öffnet) sicherlich ein Besuch des Bauerncafés Ellerhof. Wir machen uns dagegen direkt auf den Rückweg. Die östliche Rheinseite ist sicherlich das weniger attraktive Teilstück der Radtour. Nach der Ortsdurchfahrt von Mündelheim und einer etwas unglücklich schmal gestalteten Kreiselbrücke, über die wir das Rad schieben müssen, folgt ein längeres Stück entlang einer großen Straße. Landschaftlich sind die nächsten Kilometer eher wenig attraktiv, dafür fasziniert uns das gewaltige Stahlwerk HKM (Hüttenwerke Krupp Mannesmann), an dem wir ganz nah vorbeiradeln. Der Stadtteilnahme ist hier Programm: Hüttenheim. Hier steht irgendwie auch alles im Schatten des Hüttenwerks: von der Hütten Apotheke bis hin zum Hütten Kebap. 😉
Tiger & Turtle – Die Achterbahn auf der Halde
Nach so viel Industrie freuen wir uns endlich wieder auf ein touristisches Highlight. Vor uns liegt die Heinrich-Hildebrand-Höhe mit der außergewöhnlichen Skulptur Tiger & Turtle oben auf dem Haldenplateau. Auch diese ist aktuell gesperrt, aber dennoch ist die wie eine Achterbahn aussehende Skulptur ein äußerst ungewöhnliches Fotomotiv und als Ziel besonders zu empfehlen.
Es wird spät und wir wollen zusehen, dass wir langsam zum Ende der Tour kommen. Wir gelangen durch etwas Stadtverkehr zurück zum Rhein, dann wieder durch Stadtverkehr nach Wanheimerort. An der markanten Eisenbahnbrücke über den Rhein genießen wir entspannt den tollen Sonnenuntergang.
Später im Jahr bietet sich hier auch sicherlich der tolle Biergarten Ziegenpeter mit lässiger Strandatmosphäre direkt am Rhein an, um die Tour würdig ausklingen zu lassen.
Duisburg Downtown – Die Hafenstadt
Aber natürlich liegen auch noch ein paar Radkilometer vor uns. Durch Hochfeld hindurch gelangen wir schnell in die Duisburger Innenstadt und am schönen Rathaus vorbei zum beliebten Innenhafen. Auch dieser eignet sich in den Sommermonaten sicherlich wunderbar für ein Abschlussbierchen. Uns zieht es aber direkt weiter. Am Kaßlerfelder Kreisel ist leider in den nächsten Jahren eine Großbaustelle, aber aktuell solltet Ihr noch gut durchkommen. Von der Brücke blicken wir in die Hafenanlagen rein, sehen die Hafenverwaltung und den Containerhafen, an dem wir schon bei unserem Nightride durchs radrevier.ruhr entlanggeradelt sind. Dann fahren wir durch den aus den alten Schimanski-Filmen berühmt-berüchtigten Stadtteil Ruhrort hindurch. Schließlich folgen die letzten Pedalumdrehungen, bis wir nach einer durchaus eher ungewöhnlichen Radtour zurück zum Ausgangspunkt gelangen.
Hafenromantik per Rad – Unser Fazit
Wer eine etwas außergewöhnliche Radtour abseits der Postkartenromantik sucht und dabei in den alten, sicherlich sogar etwas klischeehaften Ruhrpott eintauchen möchte, findet in dieser Hafentour einen wirklich spannenden Rundkurs. Wir haben einiges gelernt auf der Tour (der Hebeturm war uns bislang vollkommen unbekannt) und haben des Öfteren vor den gewaltigen Industrieanlagen im und am Hafen beeindruckt gestaunt. Ganz nah ran an die Schiffe im Hafenbecken kommt man nicht wirklich, dennoch erlebt man viel von der turbulenten Hafenlogistik. Für uns war die Tour wirklich spannend und ich hoffe, Ihr habt genauso viel Spaß beim Nachradeln. Also, abschalten und rauf aufs Rad!
Die gleiche Tour habe ich zusammen mit einem Freund allerdings zu Fuß gemacht.
Von Duisburg über Krefeld zurück nach Duisburg.
Die Tour bietet wirklich sehr viele tolle Fotomotive.
Warst Du auf deiner Tour auch im Innenhof der Dujardin Brennerei ? Im Innenhof steht noch ein alter Kesselwagen.
Hallo Oliver,
zu Fuß ist die Runde schon ordentlich lang, da seid Ihr bestimmt ne Weile unterwegs gewesen 🙂 Den Kesselwagen haben wir nicht gesehen, klingt aber sehr spannend. Ist bestimmt ein interessanter Geheimtipp für alle Leser und noch eine kleine Bereicherung der Tour, daher vielen Dank!
Schönen Gruß
Jochen
Super Fotos von Duisburg ! ?
Vielen Dank! Die Tour bietet für Fotografen auch wirklich viele, dankbare Motive. Mein Kollege Pascal konnte sich da mit seiner Kamera ordentlich „austoben“ 🙂