Wie viel ist in dieser Stadt eigentlich los?! Ich habe mich wirklich gefreut, diesen Artikel zu schreiben, denn da ich aus Bottrop komme und es dort damals (im Gegensatz zu heute, juhu!) zu wenige Kneipen, Bars und Clubs gab, wichen wir früher regelmäßig nach Essen aus. Ich möchte also behaupten, dass ich mich im Essener Nachtleben gut auskenne. Allerdings kam ich bereits bei den ersten Überlegungen auf viel zu viele Locations, die unbedingt erwähnt werden müssen, sodass ich meinen Plan geändert und den Fokus auf die alteingesessenen Lokale gesetzt habe. Ich nehme dich also mit zu den Orten voller Essen-Kult-Faktor.
Räume voller Nippes im Kerzenschein: Willkommen in der Goldbar
Ich beginne heute in der Goldbar. Warum? Weil ich dir unbedingt das Innere der Goldbar zeigen möchte und ab 23 Uhr kann es hier schon mal so voll werden, dass du maximal Menschen auf den Bildern sehen würdest. Aber das wäre viel zu schade, da es hier unendlich viele Dinge zu sehen gibt, die dazu führen, dass selbst Stammkunden immer wieder neue Details entdecken. Ein Aquarium hier, ein Tischlämpchen dort und wirklich alles voller Kerzen. Hier gleicht kein Möbelstück dem anderen und auch viele Essener Künstler haben sich hier in irgendeiner Ecke verewigt. Ein gemütliches, irgendwie auch abgefucktes, bunt gemischtes Wohnzimmer in Rot und (natürlich) Gold getunkt. Ich liebe es!
Sympathisch ist nicht nur die Bar, sondern auch der Besitzer
Patty ist der Besitzer der Goldbar und ich habe bereits nach drei gewechselten Sätzen das Gefühl, dass wir uns ewig kennen. In Essen ist er bekannt wie ein bunter Hund. Kein Wunder, denn er blickt auf mehr als 20 Jahre Selbstständigkeit zurück und hat eigentlich schon alles gemacht: einen Klamottenladen (Second-Hand namens Amsterdam, der Schriftzug prangert heute noch am Haus), das Haus am See (eine chillige Gastronomie am Baldeneysee, die nun von einem Nachfolger betrieben wird), den damaligen Goldclub (wo ich auch schon die ein oder andere Nacht durchgetanzt habe), natürlich die Goldbar (seit mittlerweile 13 Jahren) und er erzählt bereits von seinem nächsten großen Projekt. Patty ist einfach ein sympathischer Tausendsassa, der sein Faible für Nippes und Möbel in seiner Goldbar auslebt.
Fühlt sich an wie Berlin, ist aber Essen
Ihr findet die Goldbar im Essener Südviertel (liegt zwischen Innenstadt und Rüttenscheid), auch, wenn die Goldbar vom ‚Look and Feel‘ locker in einem Berliner Szeneviertel sein könnte. Auf dem ruhigen Platz vor der Bar verteilen sich im Sommer viele Leute, aber auch die Goldbar selbst bietet draußen gemütliche Sitzgelegenheiten. Umringt von Lichterketten kann man hier wunderbar einen lauen Sommerabend genießen. Apropos genießen: In der Goldbar hast du eine Auswahl von weit über 20 Biersorten aus allen Ländern der Welt. Und wer sich für diese ganzen Biere eine Grundlage schaffen möchte, der bringt sich etwas für „zwischen die Kiemen“ mit, holt sich einen Döner um die Ecke oder bestellt sich einfach eine Pizza zur Goldbar. Alles erlaubt, die Goldbar ist eben eine lockere und sympathische Kneipe.
Welcome to the Jungle: Das Daktari
Nun begebe ich mich auf eine Safari: ich ziehe weiter ins Daktari. Hier habe ich vor langen 15 Jahren schon meine ersten richtig guten Cocktails getrunken und es hat sich bis heute nichts am außergewöhnlichen Cocktailerlebnis geändert. Allerdings hat sich auch an der Beliebtheit dieser Essener Bar nichts geändert und mit ihr an der Schlange vor der Bar, kurz bevor sie öffnet. Willst du das Daktari am Wochenende besuchen, dann solltest du mindestens eine halbe Stunde vor Öffnung (20 Uhr) dort sein, denn die Plätze innen sind rar und sehr begehrt. Dass es sich aber lohnt, zeige ich dir jetzt.
Hat man einen Platz im Daktari ergattert, erwarten einen afrikanisches Ambiente und eine Karte mit (Achtung!) 200 Cocktails! Wer jetzt denkt „Quantität statt Qualität“, den kann ich beruhigen, denn das ist hier absolut nicht der Fall. Die Cocktails im Daktari sehen nicht nur spektakulär aus, sie schmecken auch richtig lecker. Kein Wunder, denn viele der Zutaten, wie Sirups, Spirituosen und Bitters sind selbstgemacht. Und zusätzlich ist auch die wunderschöne, essbare Dekoration, ein Träumchen.
Die Meister der Cocktailkunst: Sven und Andreas
Gegründet wurde das Daktari vor rund 20 Jahren von Andreas (rechts im Bild) und mittlerweile von Sven (links) übernommen. Super sympathisch finde ich, dass beide auch heute noch zusammen hinterm Tresen stehen und ihr Können ausüben. Das Duo zaubert die gesamte Breite an Drinks sowas von schnell und routiniert, dass ich nicht hinterhergekommen bin, welchen und vor allem, wie viele Cocktails die beiden da gerade zubereiten. Jeder Schritt sitzt und das bei absoluter Gelassenheit, Hut ab!
Cocktails mit Showeffekt
Die beiden empfehlen mir den Isla de Muerta, der Signature Cocktail des Daktari. Da sage ich nicht nein und schon gar nicht, als ich sehe, wie toll er aussieht und Leute: es brennt ein kleines Flämmchen in einer schwimmenden Limette! Also ich bin überzeugt und erst recht, als ich ihn probiere. Nicht zu süß, nicht zu stark, genau richtig. Aber auch alle anderen Cocktails, die ich dort gesehen habe, sahen richtig gut und lecker aus. Wer übrigens keine Lust hat, die gesamte Karte zu studieren (ich erinnere nochmals: 200 Cocktails!), findet anfangs eine kurze Bestseller-Liste sortiert nach Rum, Tequila, Vodka und Gin. Apropos Karte: Da es im Daktari zugunsten der Gemütlichkeit etwas dunkler ist, hängt an jeder Getränkekarte ein kleines Taschenlämpchen, um die Drinks besser entziffern zu können (und das war tatsächlich auch bei meinem ersten Besuch vor 15 Jahren schon so).
Mein Tipp für Alle, die nicht auf einen freien Platz angewiesen sein möchten
Das Daktari befindet sich übrigens am Rand der Innenstadt, fußläufig vom Hauptbahnhof entfernt in einer kleinen Seitenstraße. Solltest du nach Ankunft dort mal keinen Platz kriegen, lohnt es sich entweder zu warten, bis etwas frei wird oder (und jetzt kommt mein persönliches Highlight), du lässt dir die Cocktails als take-away Version zubereiten. Also to-Go Cocktails kenne ich auch, aber ein take-away, wie es im Daktari kredenzt wird, habe ich so noch nicht gesehen. Die Cocktails werden in Bechern zubereitet und verschlossen (was bei den Jumbo-Cockails schon Eindruck macht, denn die Becher sind einfach riesig) und in einer Papiertüte verstaut. Hinzu kommt ein Becher mit Fruchtspießen und weiterer Cocktaildekoration, eine Box mit herzhaften Knabbereien und damit man sieht, was man da alles im Beutel hat, ein kleines LED-Licht. Und nach kurzer Wartezeit läufst du mit deiner leuchtenden Tüte nach Hause oder ins Hotel und serviert dort echte Daktari Cocktails. Sven sagt, dass jeder Kunde ein besonderes Cocktailerlebnis verdiene, auch diejenigen oder gerade die, die extra vorbeigekommen sind, um sich die Cocktails abzuholen. Find ich gut!
Die Drehscheibe vom Schlagergott aus dem Kohlenpott
Zum Abschluss meiner Nacht in Essen wird’s nochmal so richtig kultig. Wir besuchen die Drehscheibe von René Pascal, dem selbsternannten Schlagergott aus dem Kohlenpott. Ich wollte immer schon mal in die Drehscheibe, da man hier einfach echt mal gewesen sein muss. Wer jetzt beim Betrachten des Fotos denkt „den kenne ich doch?!“, dem helfe ich auf die Sprünge. Der Besitzer der Drehscheibe ist nämlich René Pascal und der war schon des Öfteren in der Presse und im TV zu sehen. Am bekanntesten werden seine Auftritte bei TV Total sein, wo er sieben Mal neben Stefan Raab sitzen durfte und sogar drei „Raab der Woche“ gewonnen hat. Stefans damaliger „Showpraktikant“ Elton war sogar selbst schon in der Drehscheibe, stand hinterm Zapfhahn und trank Brüderschaft mit René Pascal (ja, mit Küsschen!).
Obwohl er gelernter Friseur ist (was man sieht, denn schließlich hat er die Haare schön!), verdient René Pascal seinen Lebensunterhalt in der Musikwelt. Angefangen als DJ, kam er irgendwann zum Gesang, beides im Schlager-Genre. So einige Lieder und Alben zählt er heute zu seiner Discografie, worunter natürlich auch Ruhrgebietslieder wie „Wir rocken das Ruhrgebiet“ und „Hallo Essen“ zu finden sind. Mittlerweile genießt er absoluten Kultstatus in der Schlagerszene und tritt regelmäßig auf Festen und privaten Feiern auf. Als er dann vor über 25 Jahren noch seine eigene Kneipe, die Drehscheibe, eröffnete, hatten Schlagerfans in Essen eine Anlaufstelle und der Hype begann.
René Pascal Museum und Live-Auftritte inklusive
Eine kleine Eckkneipe in einer Seitenstraße der bekannten RÜ (Kurzform der Gastromeile Essens: Rüttenscheider Straße). Die Drehscheibe. Hier gibt es Schlagermusik, moderate Preise, eine sehenswerte, mit Blumen überhäufte Toilette und eben den Schlagergott himself. In René Pascals eigener kleinen Hall of Fame kannst du bestaunen, wo er bereits überall zu sehen war. Echte Fans können sich auch direkt mit Fanshirts eindecken (vor Kauf ordentlich in Folie verpackt 😉 ). Renés neuester Clou sind seine eigenen Schnäpse. Wer also in Essen ist und Schlager mag, der muss in der Drehscheibe vorbeischauen. Wo sonst findet man einen Schlagerstar zum Anfassen und das fast jedes Wochenende? Es ist gar nicht unwahrscheinlich, dass du sogar einen spontanen Auftritt von René Pascal persönlich erlebst, der dort tatsächlich regelmäßig zum Micro greift und seine Lieder schmettert.
So bunt wie der Laden selbst ist auch das Publikum. Neben Disco-Fox Tänzern und Kneipen-Knoblern trifft man gesellige Leute aus ganz Deutschland. An diesem Abend spreche ich zwei Jungs an, die aus Hamburg kommen und zu Besuch bei ihrem Kumpel in Essen sind. Dieser sagt mir, dass zu einem Kultabend in Essen definitiv ein Besuch in der Drehscheibe gehöre und er seine Freunde daher hierhin gebracht habe. Den Jungs gefällt’s jedenfalls und sie haben ordentlich Spaß (es ist allerdings auch ein gewisser Alkoholpegel zu vernehmen 😀 ).
Eins noch: DIE Ruhrpottkneipe überhaupt ist und bleibt die Ampütte!
Auch, wenn mein Abend hier endet, möchte ich den Artikel keinesfalls beenden, ohne die folgende Kultlocation in Essen erwähnt zu haben: Die Ampütte. Durch ihre stattlichen 100 Jahre auf dem Buckel ist sie Essens älteste Kneipe und wird bereits in der vierten, Familiengeneration geführt. Die Ampütte ist eine echte Kneipe ohne Schnick Schnack oder modernes Zeugs. Hier sitzt man mit Schnitzel und Bier vor einer Asbach-Uralt-Leuchtreklame. Fertig. Kneipe eben. Witzig, dass sie auf der Szenestraße schlechthin in Essen zu finden ist: Der RÜ. Dort findet man gastronomisch heute hauptsächlich hippe Restaurants, Cafés mit ausgefallenen Kaffeesorten, Superfood-Läden, Burgerbuden und angesagte Bars. Die Ampütte war aber nun mal eher da und das ist auch gut so für die RÜ, denn sie versprüht dort echten Oldschool-Ruhrgebietsflair, der meiner Meinung nach auch auf einer neumodernen Straße nicht gänzlich verloren gehen darf. Willst du also eine echte Ruhrpottkneipe besuchen und ein Bierchen mit geselligen und herzlichen Menschen aus der Gegend zischen, dann bist du hier richtig: Ampütte, wahrscheinlich DIE Ruhrpottkneipe schlechthin.