Früher mochte ich keine Lehrer, die auf Klassenfahrten die Tage vollstopften. Man konnte nicht in einer Woche nachholen, was an den restlichen 360 Tagen versäumt wurde. An Kultur war ich einfach nicht interessiert und schon gar nicht, wenn man sie mir mit dem Trichter gab.
Es ist daher keine Reminiszenz an die Schulzeit, dass meine Frau und ich in den kommenden beiden Tagen so viele Museen besuchen werden, wie es zuletzt der Fall war, als ich „To be with you“ von Mister Big im Walkman hörte und dabei nicht an meine Frau, sondern an Michelle aus der Parallelklasse dachte. Dabei kommt uns entgegen, dass Fußball seither zum Kulturgut geworden und die Fußball-Museumsdichte nirgends höher als im Ruhrgebiet ist. Angefangen vom Aushängeschild, dem deutschen Fußballmuseum in Dortmund, über das Schalke Museum in der VELTINS-Arena, der „kleinen Gruga“ vor dem Stadion an der Hafenstraße in Essen bis hin zum „Borusseum“, das uns wieder dahin führen wird, wo unsere Museumstour beginnen wird: Nach Dortmund.
Grüner wird`s nicht – Auftakt zur Museumstour im „Grünen Salon“
Auf Klassenfahrten zapften wir zu Tagesbeginn in der Herberge Jahresvorräte eines Getränks, dass entfernt nach Waldmeister schmeckte, und schnürten uns sogenannte Lunchpakete. Von derart Profanem sind wir heute weit entfernt, denn unser Tag startet auf dem Dortmund Nordmarkt, hier wollen wir uns für den Tag stärken: „Grüner Salon“ heißt das selbsternannte „Kiezwohnzimmer“, das meine Frau im Vorfeld unserer Reise ausgesucht hat.
Eine großartige Entscheidung! Auf der Frühstückskarte findet man unter anderem das „Full English Breakfast“, das Frühstück „Herzhaft vegan“, aber auch zig Ei-Varianten. Unsere Wahl fällt auf ein Käse-Frühstück und das Frühstück „Süß Vegan“. Die nächste großartige Entscheidung! Die Spekulatius-Cremé kommt ein paar Wochen zu früh (schließlich ist ja noch nicht Weihnachten), aber sie ist lecker. Noch leckerer ist die Nuss-Schokoladen-Cremé, bis man zum Erdnuss-Bananen-Aufstrich kommt. Wenn wir bei der Schul-Analogie bleiben möchten, erhält das Adjektiv „lecker“ an dieser Stelle einen Exponenten. Nicht minder zufrieden sind wir mit dem köstlichen Käse-Frühstück, das neben italienischem Hart- und Weichkäse unter anderem Büffelmozzarella bietet. Es empfiehlt sich, einen Tisch zu reservieren, denn der Grüne Salon wird während unseres Besuchs immer voller und voller. Das dürfte sich während des Sonntags auch nicht mehr ändern, denn der Grüne Salon bietet auch Speisen wie vegane Bolognese und eine großartige Kuchenauswahl.
Kostspielige Zeitreise im „Ballfahrtsort“
Bis zum deutschen Fußballmuseum sind es zehn Minuten mit dem Auto und zwanzig Minuten per Pedes. Letzteres empfiehlt sich, denn kostenfreies Parken rund um den sogenannten „Ballfahrtsort“ ist nicht möglich. Und weil der Körper nach dem Frühstück im Grünen Salon nach einem Spaziergängelchen schreit.
Günstig ist der Besuch im deutschen Fußballmuseum nicht. Es gibt zwar die Möglichkeit, Karten im Internet vorzubestellen und damit ein paar Penunzen zu sparen, für Kurzentschlossene ohne Ermäßigung werden an der Tageskasse aber stattliche 19 Euro fällig. Die Zeitreise ins Jahr 1954 – dem ersten großen Themenbereich des Museums – beginnt auf einer Rolltreppe. Die Illustratorin Diana Köhne lässt links- und rechtsseitig der Treppe Fans aus ganz Deutschland ins Stadion pilgern. Bereits hier gibt es so viel zu sehen, dass man am liebsten nochmal nach unten und wieder zurück fahren möchte.
Oben angekommen wird man von den Helden von Bern begrüßt. Zu jedem Spieler gibt es Devotionalien und Informationen, die Fritz Walter, Max Morlock und Co lebendig werden lassen. Der Jahrgang von 1954 bildet den Auftakt für die (Länderspiel-)Geschichte der Nationalmannschaft, in der bitteren Niederlagen wie das Wembley-Tor von 1966 ebenso gekonnt inszeniert werden wie der WM-Triumph 1990 von Rom. Legenden wie Franz Beckenbauer werden in einer separaten Vitrine gewürdigt, der Ost- sowie der Frauenfußball dagegen leider nur flankiert. Und der Untersuchungsbericht zum Sommermärchen wird im Vergleich zum letzten Weltmeistertitel 2014 leider nur im Maßstab 1:60 dargestellt, was gewissermaßen bedauerlich ist, schließlich wurde das deutsche Fußballmuseum in nicht unerheblichem Maße aus den Gewinnen der WM 2006 finanziert.
Perfekter Mix aus Multimedia und analog
Bevor man in die Schatzkammer des DFB kommt, einen mit Pokalen gespickten Raum, führt der Weg durchs Kino. Gerade die jungen Fans machen an dieser Stelle große Augen, ältere bekommen den Mund bei der Victoria nicht mehr zu. Der Pokal, der vor der Einführung der Meisterschale verliehen wurde, wartet nur wenige Meter hinter dem Kino. In diesem Bereich steht vorwiegend die Bundesliga im Mittelpunkt, aber auch die Medien oder das Schiedsrichterwesen. Klaus Fischers Kerndisziplin, den Fallrückzieher, kann man hier ebenso nachstellen wie eine Sky-Reportage, dazwischen findet man jahrzehntealte Original-Trikots der Rhein-Rivalen aus Köln und Mönchengladbach. Wie im gesamten Museum gelingt der Mix aus multimedialen und traditionellen Inhalten nahezu perfekt, Fußballfans jeden Alters werden eingefangen und können problemlos einen ganzen Tag hier verbringen.
Das rechtfertigt gewissermaßen den höchsten aller Eintrittspreise auf unserer Museumstour, auch wenn das Productplacement der DFB-Hauptsponsoren ebenso übertrieben wird wie die umfangreiche Bücherpräsentation des Kurators im Museumsshop.
Hier schlägt das Herz blau-weiß – das Vereinsmuseum auf Schalke
Eine ganz andere Ausstellung erwartet uns eine halbe Autostunde entfernt am Rudi-Assauer-Platz. Das Schalke-Museum in der VELTINS-Arena ist das älteste Vereinsmuseum der Republik, wurde im September 2000 eröffnet und bezog die heutigen Räumlichkeiten fünf Jahre später. Die Geschichte der Königsblauen wird mit 500 Exponaten auf rund 600 Quadratmetern erzählt.
Ausgewählte Memorabilien führen durch jedes einzelne Jahrzehnt der bewegten Vereinshistorie, berichten von der Gründung bis zur Bundesliga-Rückkehr im Sommer diesen Jahres. Dabei greifen die Macher auch auf scheinbar triviale Gegenstände wie Olaf Thons Nasenpflaster („freier atmen – trotz Erkältung“), einem Kicker-Starschnitt der Kremers-Zwillinge oder Sammelbilder zurück. Dadurch ist das Museum authentisch, die Besucherinnen und Besucher sehen die Objekte, können sich damit identifizieren und erzählen ihre eigenen Anekdoten, von ihrem Bergmann-Sammelalbum bis zum ersten Besuch im Parkstadion. Der lässt sich auf einer Tribüne nachempfinden, auf der alle Sitze der Schalker Stadiengeschichte – von der Kampfbahn Glück Auf bis zur VELTINS-Arena – verewigt sind.
Mit dem deutschen Fußballmuseum ist das Museum des FC Schalke natürlich nicht zu vergleichen. Es gibt zwar einen „Hörraum“, aber die multimedialen Inhalte fallen deutlich dosierter aus. Das gilt aber auch für den Eintrittspreis, der für Erwachsene bei 5 Euro liegt (Jugendliche 3 Euro, Kinder bis 6 Jahre haben freien Eintritt). Trotzdem lohnt sich ein Besuch im Schalke-Museum. Insbesondere für Anhängerinnen und Anhänger der Knappen, aber auch für jeden anderen Fußballfan.
Über Nacht bei Freunden auf dem Welterbe
Unser neuerworbenes Wissen darf sich bei der Übernachtung im Hotel friends Zeche-Zollverein in Essen setzen. Und das Hotel, das auf dem Gelände „der schönsten Zeche der Welt“ liegt, heißt uns am nächsten Morgen mit einem Frühstück willkommen, das keine Wünsche offen lässt.
Das ist auch dringend nötig, denn die Museumstour geht in die dritte Runde…
Bleibt gespannt auf die „Kleine Gruga“, das „Borusseum“ und weitere Tipps & Infos!