Stockfinster ist es, als Hamburg 1962 von Wassermassen überrollt wird. Deiche bersten, losgelöste Bretter und Autoteile schieben sich durch die Straßen, Hubschrauber knattern. Es ist 2004, als sich die Szenen wiederholen. Im Ruhrgebiet. In Essen. Wo zeitweise der großen TV-Zweiteiler „Die Sturmflut“ gedreht wird. Direkt am Baldeneysee kämpfen Schauspieler wie Jan Josef Liefers und Heiner Lauterbach fiktiv gegen eine der größten Naturkatastrophen Deutschlands. Sechs Millionen Liter Wasser, historische Fahrzeuge und Kulissen werden in die Becken eines ehemaligen Schwimmbads am See geschafft. Dann wird ordentlich gefroren. Wer denkt, im Ruhrgebiet sind nur (schlechte) Komödien über Bier und Bergbau gedreht worden, täuscht sich. Ich nehme Euch mit zu fünf spannenden Drehorten – und auf eine Achterbahnfahrt mit Tom Hanks.
Drehorte im Ruhrgebiet – gibt’s mehr als man denkt!
1. Die Sturmflut – Baldeneysee, Essen
Der RTL-Zweiteiler „Die Sturmflut“ ist natürlich kein reiner Dokumentarfilm. Neben der eigentlichen Katastrophe ist eine Menge Liebe und Drama im Spiel. „Die Story ist zur Hälfte wahr und zur Hälfte erfunden“, gibt Drehbuch-Autor Holger Karsten Schmidt zu. Und so darf Hamburg auch schon mal nach Essen verlegt werden. Ins ehemalige Licht- und Luftbad Baldeney. Das stillgelegte Schwimmbad ist für Regisseur Jorgo Papavassiliou der perfekte Ort, um den Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg nachzustellen.
Mit Häuser-Kulissen, Autos aus den 60ern und handbeklebten Schachteln von Medikamenten, die in einer Apotheke darauf warten, von der Flut weggespült zu werden. In die leeren Becken werden rund sechs Millionen Liter Wasser aus dem Baldeneysee gepumpt und für die Schauspieler mit Heizöl auf 18 Grad erwärmt. Wer schon einmal in den Sommerferien an der Ostsee gefroren hat, weiß, dass 18 Grad keine wahre Freude sind. Doch mehr ging nicht, sonst hätte das Wasser in Kombination mit der Lufttemperatur angefangen, verdächtig zu dampfen. Also mussten Jan Josef Liefers, Nadja Uhl, Götz George und Heiner Lauterbach bibbern. „Das sind Dreharbeiten, wo du einfach schreist, wenn du weißt, du musst etwas wiederholen“, erinnert sich Benno Führmann.
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Keine Spur von Sturmflut am idyllischen Baldeneysee in Essen
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Action mit Jan Josef Liefers im alten Licht- und Luftbad Baldeney für „Die Sturmflut“ © MG RTL D
Das Essener Licht- und Luftbad ist inzwischen ebenso wie die Sturmflut Geschichte. Seit Januar 2005 befindet sich an gleicher Stelle der Seaside Beach Baldeney mit Sand, Strandkörben und Cocktails. Hier könnt ihr relaxen und baden, wo eine Reihe bekannter, deutscher Schauspieler geschuftet hat.
Der Sand des Seaside Beachs stammt übrigens aus der Karibik. So richtig echt ist hier beim Blick hinter die Kulissen nichts.
2. Babylon Berlin – Landschaftspark Duisburg-Nord
Millionen Zuschauer verfolgten bisher die spektakuläre Serie „Babylon Berlin“. Politik, Mord, Angst und rauschende Partys der 20er. Klingt nach Großem Gatsby und Brandenburger Tor. Doch ein Teil der Szenen aus der zweiten Staffel wurde im Landschaftspark Duisburg-Nord gedreht. Hochofen statt Hollywood. Entdeckt hat den Ort ein Location-Scout der Produktionsfirma. Er schlug Regisseur Tom Tykwer den Landschaftspark als Drehort vor. Tykwer musste sich daraufhin erst einmal selbst vom besonderen Charme der Industriekultur im Ruhrgebiet überzeugen – und war total begeistert. Drei Stunden lang führte Claudia Kalinowski, Sprecherin des Landschaftsparks, die Crew über das etwa 180 Hektar große Gelände.
Ein paar Monate später, am 27. September 2016, ging es auch schon los. Konkrete Drehorte waren die Möllerbunker und die Gasreinigung am Hochofen 5. Die Hauptdarsteller Volker Bruch und Liv Lisa Fries waren zwar nicht vor Ort, dafür jedoch Peter Kurth, der Kommissar Bruno Wolter spielt. Im Landschaftspark wurde unter anderem die Szene aufgenommen, in der er einen Polizeikollegen erschießt.
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Die majestätische Kulisse des Landschaftsparks mit seinen Hochöfen zog auch Tom Tykwer in den Bann
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Die Serie „Babylon Berlin“ war ein großer Erfolg und wird bald fortgesetzt © X Filme, Fréderic Batier
Auch wenn die beiden Drehorte im Detail nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind, reicht ein Spaziergang über das Gelände des stillgelegten Thyssen-Hochofenwerks aus, um zu spüren, weshalb Tom Tykwer ausgerechnet diesen Ort ausgewählt hat.
Im Hochofen 5 könnt ihr die Produktion von Eisen bildhaft nachverfolgen und sogar auf die 70 Meter hohe Aussichtsplattform steigen. Wer weiß – vielleicht reicht bei gutem Wetter der Blick bis nach Berlin?
„Babylon Berlin“ ist die bisher teuerste deutsche Fernsehproduktion. Ende 2019 soll die dritte Staffel bei Sky Deutschland ins Fernsehen kommen. Im Ersten läuft die Serie ab Herbst 2020.
3. Das Wunder von Bern – Eisenbahnmuseum Bochum
Ebenfalls in die Vergangenheit geht es bei Sönke Wortmanns Spielfilm „Das Wunder von Bern“. Es ist 1954, als Deutschland unerwartet die Fußball-Weltmeisterschaft gewinnt. Selbst Menschen mit einer Antipathie gegen Fußball kennen mutmaßlich den O-Ton aus dem Radio: „… Kopfball, abgewehrt, aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Rahn schießt! Toooor!“
Die Handlung beginnt jedoch mit der Heimkehr des Kriegsgefangenen und Bergarbeiters Richard Lubanski, gespielt von Peter Lohmeyer. Der gesamte Film rankt sich um das Schicksal seiner Familie und die Sportbegeisterung des jüngsten Sohnes.
Die emotionale Szene der Rückkehr Lubanskis nach über zehn Jahren Gefangenschaft in Russland wurde auf dem Gelände des
Eisenbahnmuseums Bochum gedreht. Während der Zug unter schnaubendem Dampf einfährt, winken Angehörige mit Taschentüchern und eine Marschkapelle spielt. Zu sehen sind neben dem Zug einer der historischen Bahnsteige, mehrere Gebäude und ein Schild mit der Aufschrift „Essen-Katernberg“. Wenn Hamburg in Essen ist, muss Essen eben nach
Bochum!
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Dreharbeiten im historischen Eisenbahnmuseum Bochum © Stiftung Eisenbahnmuseum Bochum
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Die emotionale Rückkehr-Szene zu Anfang des Films „Das Wunder von Bern“ © epd film
„Der Aufwand ist relativ hoch, weil es auch im Ruhrgebiet nicht mehr so viele Ecken gibt, die das Original-Flair der fünfziger Jahre ausstrahlen“, erklärte Sönke Wortmann, während der Dreharbeiten im Eisenbahnmuseum am 27. Juni 2002. Da passt es hervorragend, das ehemalige Gelände des Bahnbetriebswerks Dahlhausen als Drehort zu nutzen, das seine historische Atmosphäre bis heute gewahrt hat. Auf rund 70.000 Quadratmetern könnt Ihr dort eine Sammlung von über 120 Schienenfahrzeugen besichtigen und je nach Saison sogar mit einigen geschichtsträchtigen Zügen mitfahren. Es ist das größte private Eisenbahnmuseum Deutschlands.
4. Ein Hologramm für den König – Movie Park Germany
Ägypten, Marokko, USA, Bottrop. Ein Hollywood-Star wie Tom Hanks dreht selbstverständlich nur an besonders spektakulären Orten! „Ein Hologramm für den König“ ist sicher nicht Hanks’ bekanntester Film, doch dafür ging es für ihn im
Movie Park Germany in Bottrop auf einen besonderen Ritt. Für eine Szene, die später in der Komödie als Teil eines Musikvideos zu sehen ist, musste Hanks gleich drei Mal mit der Holzachterbahn „The Bandit“ fahren, bis endlich alles stimmte. Weitere Szenen des Films wurden in den Studios des Movie Parks vor Green Screens gedreht.
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Die Holzachterbahn „The Bandit“ im Movie Park, mit der auch Tom Hanks fuhr © Movie Park Germany 2019
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Tom Hanks im Film „Ein Hologramm für den König“ © X Verleih AG
Als der Schauspieler den Nachbau des Santa Monica Piers mit Riesenrad im Movie Park entdeckte, machte er gleich ein Selfie. Es gilt als nahezu gesichert, dass nun jeder in den USA Bottrop kennt. Wer keine Angst vor einem Bandscheibenvorfall hat, kann es also Hanks gleichtun und sich auf waghalsige Abfahrt mit „The Bandit“ begeben.
Regisseur des Films, der 2015 im Kino zu sehen war, war – wie bei Babylon Berlin – Tom Tykwer, der ganz offensichtlich das Ruhrgebiet als großartige Filmlocation für sich entdeckt hat. In „Ein Hologramm für den König“ geht es um einen Manager aus Boston, der dem saudischen König ein holografisches Telefonsystem verkaufen soll, dabei aber von diversen Schmerzen geplagt wird, beinahe pleite ist und vor den Scherben seiner Ehe steht.
5. Der Letzte Bulle – Essener Stadtgebiet
Ja, in Essen ist filmtechnisch einiges los. Polizist Mick Brisgau, gespielt von Hennig Baum, löst hier als „Der Letzte Bulle“ so manch schrägen Fall – mit nicht weniger schrägen Ermittlungsmethoden. Der Clou des Plots ist, dass Brisgau nach einem Kopfschuss 20 Jahre lang im Koma lag und nun diverse Probleme hat, sich wieder im Leben und Polizeidienst einzufinden. Sie gesamte Serie spielt in Essen, auch wenn viele Szenen in Köln gedreht wurden.
Immer wieder tauchen während der Episoden bekannte Essener Sehenswürdigkeiten und Gebäude auf, wie die Gruga-Halle, das Essener Rathaus, das Haus der Technik oder die Alte Synagoge. Beim Film zur Serie, der im November 2019 in die Kinos kommt, wird unter anderem das Hauptquartier von Thyssenkrupp zum Schauplatz. Dort rief eines Tages ein Location-Scout an. „Er hat gesagt, er sei im Auftrag einer Filmproduktions-Firma unterwegs und wolle sich gerne einmal unsere Konzern-Zentrale angucken“, erinnert sich Pressesprecher Thomas Reinhold.
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Der Letzte Bulle ist gebürtiger Essener und sorgt mit seiner schroffen Umgangsart für Turbulenzen…
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… sowohl im TV als auch bald im Kino © SAT.1, Martin Rottenkolber
Bei Drehbeginn standen dann gleich mehrere Lastwagen und Lieferwagen mit Equipment vor der Tür – samt Hennig Baum, der im Gegensatz zu seiner Rolle einen ganz und gar nicht machohaften Eindruck beim Unternehmen hinterließ. „Er war total freundlich und zugänglich und bedankte sich mehrfach.“
Kein Wunder, denn Baum ist schließlich gebürtiger Essener.
Ach ja: Uschis Kneipe – ein beliebter Treffpunkt innerhalb der Serie – existiert gar nicht. Weder in Essen, noch anderswo. Sie ist nur eine Studio-Kulisse. Schade!
Drehorte im Ruhrgebiet – Ganz schön großes Kino
Eine kleine Reise durch das Ruhrgebiet zeigt, dass es hier eine Reihe von Drehorten abseits von Comedy-Kalauern wie „Manta Manta“ und „Alles Atze“ oder klassischen „Tatort“-Drehorten gibt. Bekannte Schauspieler aus dem In- und Ausland haben zwischen Industriekultur, idyllischen Freizeitorten und urbaner Stadtszene ihre Spuren hinterlassen. Auch wenn manche Ecken mit der Zeit verschwinden, reine Kulissen sind oder sich an nicht-öffentlichen Plätzen verbergen, müsst Ihr keinen Trip nach Berlin oder Los Angeles planen, um einen Hauch von Hollywood zu finden.
Etwas spät, aber trotzdem: Uschis Kneipe aus „Der letzte Bulle“ war, zumindest in Staffel 1, eine echte Kneipe in Köln. In einer Folge ist sogar das Straßenschild soweit lesbar, dass man die Kneipe identifizieren kann. Und die Innenaufnahmen wurden mit Sicherheit ebenfalls dort gedreht, denn die Einrichtung ist absolut mit Fotos der echten Kneipe identisch. Per E-mail gebe ich auch gerne Info, welche Kneipe das war.
AWZ Die Daily Soap Alles was Zählt wird auch Teilweise on Essen Gedreht. Die Eissooethalle Befindet sich in Essener Stadtteil Fronhausen. Wo auch der ESC Moskitos seine Patieen Ausübt.