Vor zwei Jahren waren Pascal und ich ja auf einer richtig tollen Grenzgängertour von Hamm in den Kreis Warendorf unterwegs. Diese Runde hat uns so gut gefallen, dass wir in diesem Jahr unbedingt eine weitere Tour auskundschaften wollten. Dieses Mal sollte die Tour von Hamm ausgehend etwas weiter westlich verlaufen und uns noch weiter nördlich in den Kreis Warendorf führen. Mit dem Knotenpunktsystem, das quasi nahtlos an unseres anschließt, ist die grobe Tourenplanung schnell geschehen.
Dieses Mal soll auf 76 Radkilometern das Landleben mit vielen Feldern, Höfen und weiten Landschaften im Fokus stehen – also eine richtig schöne kleine Land-Auszeit für gestresste Stadtmenschen wie uns.
Das Frühjahr ist die schönste Zeit für eine Land-Auszeit
Auf dem Programm stehen weniger große und bekannte Sehenswürdigkeiten, als vielmehr ein tiefer Einblick in die Landwirtschaft rund um die Metropole Ruhr. Jetzt im Frühjahr ist die Zeit dafür in meinen Augen am besten. Die Rapsfelder stehen in voller Blüte und lassen die weiten Felder goldgelb erstrahlen. Wiesen leuchten in frischen Grüntönen und werden mit dem satten Blau des Himmels und kleinen weißen Wolkentupfern zur eindrucksvollen Bildkomposition einer entspannten Landpartie. Gleichzeitig locken Hofläden mit den ersten saftig-roten Erdbeeren, frischem Spargel und leckerem Kuchen. Also, auf geht’s raus aufs Land!
Eine flotte Anreise mit der Deutschen Bahn
Ja, neben dem Radfahren bin ich im Grunde eher ein Automensch. Aber für diese Tour haben wir uns die Anreise mit der Bahn vorgenommen. Mit dem Regionalexpress sausen wir eigentlich sogar schneller als auf der Autobahn gen Osten und erreichen äußerst entspannt den Hauptbahnhof in Hamm / Westfalen.
Wer ein Deutschlandticket hat, muss sich nur schnell das Zusatzticket für das Rad besorgen. Ansonsten ist die Anreise mit dem „Schöne-Fahrt-Ticket“ oder (wenn Du nach 9 Uhr starten kannst) dem „Schöner-Tag-Ticket“ auf der Strecke quer durch die Metropole Ruhr auch nicht wirklich teuer. Der Zug ist nach dem Berufsverkehr nicht wirklich voll und wir finden genug Platz für unsere Räder. Außerdem gibt es noch ein zweites Frühstück (sofern man vorher beim Bäcker etwas mitgenommen hat), dann können wir loslegen mit unserer Radtour.
Keine Spur von Großstadt-Theater auf dem Rad
Das Radeln in der Großstadt ist ja oft nicht so prall. In Hamm sind Pascal und ich aber in lässigen 5 Minuten aus dem Stadtverkehr entflohen und radeln (aktuell noch kurz in einer Baustellenumfahrung; Stand 12. Mai 2023) durch die schönen Lippeauen. Ein neuer kleiner Aussichtspunkt zieht uns direkt an. Pascal ist heute wieder für die Bilder zuständig und lässt den Auslöser mal gleich klackern…
Schnell geht es weiter und wir fahren auf dem Arthur-Seifert-Weg immer weiter raus aus Hamm. Ein toller Bachlauf mit dem Namen Geinegge plätschert neben uns her und wir genießen intensiv den Naturgenuss mitten im Wald – herrlich.
100-Schlösser-Route
Quer durch das Münsterland verläuft der Radfernweg 100-Schösser-Route. Wir radeln heute immer wieder auf Abschnitten dieses Weges und sehen heute etliche Schlösser und Burgen des Münsterlandes. Den Startschuss macht das Haus Emelinghof, ein altes Rittergut ganz im Norden von Hamm. Das Herrenhaus befindet sich in Privatbesitz und man kann es leider nicht besichtigen. Dennoch ist es ein schönes Fotomotiv und ein passender Ort für ein erstes entspanntes Päusken.
Ein wenig Industriekultur gibt es ja irgendwie immer
Neben der viel frequentierten Bahnstrecke nach Münster fahren wir weiter nach Norden. Der Blick auf das Zechengerüst von Schacht 6 der Zeche Radbod lässt kaum vermuten, dass hier für einige Zeit die Zukunft des Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet greifbar war.
Unter dem Projektnamen Donar sollte ab 2015 der Abbau der vorhandenen Kokskohle erfolgen. Jedoch fand sich kein Investor, sodass auch dieses Bergbauprojekt am Ende eingestellt und die Schächte verfüllt wurden.
Haus Venne und Drensteinfurt
Noch ein wenig weiter nördlich gelangen Pascal und ich zum Haus Venne. Die alte Wasserburg wurde bereits im 13. Jahrhundert urkundlich erwähnt.
Aber auch hier können wir nach einem obligatorischen Fotostop zügig weiterradeln. Im historischen Zentrum von Drensteinfurt sehen wir das Wasserschloss Haus Steinfurt sowie einige äußerst nette Fachwerkgebäude.
Am Marktplatz von Drensteinfurt überrascht uns neben einem typischen Maibaum eine ungewöhnliche Kombination aus E-Bikeladestation und öffentlicher Bücherkiste.
Der WerseRadweg
Wie schon bei unserem ersten Ausflug in den Kreis Warendorf können wir nun ein Teilstück des WerseRadwegs unter die Reifen nehmen. Hier ist die Werse schon spürbar größer als im Abschnitt östlich von Ahlen. Als Wassergraben schneidet sie sich hier kanalähnlich durch die weiten Felder des Münsterlandes.
Nach dem vielen Regen der letzten Tage führt die Werse etwas Hochwasser, sodass ein kurzer Ausflug auf eine kleine Insel kurz vor Albersloh für uns leider ausfallen muss. Vielleicht hast du ja beim Nachradeln mehr Glück und kannst Dir das kleine Auenland-Paradies etwas genauer anschauen.
In Albersloh begrüßt uns schließlich ein waschechter Kiepenkerl als nettes Fotomotiv, bevor wir durch das kleine Örtchen radeln und schließlich auf der 100-Schlösser-Route gen Osten raus aufs Land radeln.
Typisch Münsterland sehen wir rote Backsteinhöfe mit weiten Feldern und radeln über die unterschiedlich angelegten Arten von Feldwegen meist auf Asphalt, manchmal aber auch auf Schotter. Immer wieder stehen hier an Weggabelungen sogenannte Wegekreuze, die mal mehr mal weniger aufwändig gestaltet sind und typisch für diese Region sind.
Zwei (Eis-)Vögel auf der Suche nach nem Pausenplätzken
Der nächste Etappenort heißt Sendenhorst. Ein idyllisches Dorfzentrum mit kleinen Gässchen und natürlich auch einer weiteren Sehenswürdigkeit auf der 100-Schlösser-Route – dem Haus Siekmann. Die denkmalgeschützte Hofstelle ist heute ein kulturelles Zentrum für die Region.
Pascal und mich zieht es aber ziemlich schnell in die beliebte Eisdiele „Eisvogel“, die neben den hausgemachten Klassikern auch ausgefallene Sorten wie „Kurkuma“, „Gurke“ oder gar passend zur Jahreszeit „Erdbeer-Spargel“ anbietet. Ja, diese Stärkung haben wir uns redlich verdient!
Ein Himmelreich für einen Turm
Kurz nach Sendenhorst stoßen wir auf den Himmelreichturm. Was zunächst ziemlich spirituell klingt, ist einfach nur ein netter Aussichtpunkt, der von den örtlichen Pfadfindern mit sehr viel Engagement aufgestellt wurde. Die Idee, hier ein eigenes Türmchen hochzuziehen, finde ich schon sehr beeindruckend.
Es geht weiter über die Felder und das bestens ausgeschilderte Knotenpunktsystem. Mitten im Wald überrascht uns ein kleiner Ein-Mann-Bunker aus dem 2. Weltkrieg. Solche Relikte kennen wir ja auch aus dem Ruhrgebiet, zum Beispiel an der beliebten Erzbahntrasse.
Kornbrennerei Hof Schulze-Rötering
Ein paar Pedalumdrehungen weiter und wir gelangen zum kulinarischen Highlight der Radtour. Der Hof Schulze-Rötering ist bekannt für seine Kornbrennerei und den angeschlossenen Hofladen.
Hier gibt es frischen Spargel und Erdbeeren, selbstgemachte Marmelade und duftende Kräutertees.
Und natürlich können hier die leckeren Spirituosen aus der Brennerei verkostet werden. Der Klassiker ist natürlich der Korn, wahlweise in verschiedenen Fässern (ob Rotwein, Whiskey oder Rum) gereift. Aber auch lieblichere Liköre stehen in der Auslage – alles selbstverständlich nur aus eigener Produktion und mit einer extra Portion Liebe zum Detail verarbeitet.
Natürlich kann ich dieses Feinkostparadies nicht ohne kurze Kostprobe verlassen. Und für daheim wandert ein kleines Fläschken hinten in die Satteltasche. An manchen Tagen lässt sich neben dem Hofladen auch die eigentliche Brennerei besichtigen. Liebhaber von historischen Traktoren können auf geführten Treckertouren die Umgebung kennenlernen.
Ahlen und die letzten Meter
Nach einigen Feldwegen rollen wir durch das Zentrum von Ahlen, bevor es auf die Schlussetappe zurück nach Hamm geht. Wenn du noch nicht bei der tollen Zeche Ahlen warst, lohnt sich durchaus ein kurzer Abstecher. Wir passieren noch einen kleinen Hofladen mit 24 Stunden Service, bevor wir am Schloss Oberwerries zurück an die Lippe kommen.
Durch die Lippeauen rollen Pascal und ich in Ruhe aus. Am R-Café direkt am Datteln-Hamm-Kanal lassen wir bei nem fruchtigen Drink die Tour ausklingen, bevor wir mit dem Regionalexpress wieder zurück in die Heimat brausen.
Mein Fazit
Im Gegensatz zur Tour vor zwei Jahren liegen an dieser Runde spürbar weniger Sehenswürdigkeiten, dafür steht die von Landwirtschaft geprägte Region mehr im Mittelpunkt. Hier erlebst du das pure Landleben auf einer langen und damit eher sportlichen Ausfahrt. Mit nem flinken Gravelbike kann ich mir die Tour auch sehr gut als sportliche Ausflugsfahrt vorstellen. In Kombination mit den Hofläden und frischen Ernteprodukten wird die Tour aber auch schnell zu einer schönen Kulinarikausfahrt. Wenn du also einfach mal raus aus der Stadt musst und pures Landleben suchst, ist dieser Tagesausflug genau das richtige für dich. Also, rauf aufs Rad und viel Spaß beim Nachradeln!