Um ehrlich zu sein, stand unsere diesjährige Public-rArt-Tour unter keinem guten Stern! Zum einen musste sie wegen der Wetterlage zweimal verschoben werden und zum anderen wurde mein Pedelec am Vortag storniert und Jan hatte nach den ersten drei Metern der Tour den Fahrradlenker in der Hand – ohne den Rest vom Gestell. So sind wir unsere Tour zwar mit Anfangsschwierigkeiten sowie einiger Verspätung – aber bei bestem Wetter angetreten! Und ich sag Euch! Es ist eine wunderschöne Route, die von Skulpturen in Unna und am Phoenix See über Klangkunst und Street Art zu einem kulinarischen Genuss in Dortmund führt!
Unna: Klein, aber fein
Rings um den Hauptbahnhof Unna sammelt sich so einiges an Kunst im öffentlichen Raum: Die 2,25 Meter hohe Lego-Plastik „Ecce Homo“ im Innenhof des Rathauses konnten wir uns leider nicht ansehen (Karma, was haben wir verbrochen!?), dafür aber die Brunnenplastik von Carlernst Kürten auf dem Platz zwischen der im Basilikastil errichteten Katharinenkirche und der Glas- und Steinfassade des Rathauses!
Auch die Innenstadt überrascht in den Seitenstraßen mit einigen tollen Fachwerkhäusern! Am Fuße der Stadtmauer steht die 2,50 Meter große Skulptur „Hoffnung“ – treffender hätte es für unsere Tour nicht sein können. Zu sehen ist eine Gestalt mit verblüffender Ähnlichkeit zu Gollum (Herr der Ringe), die eine Betonmauer erklommen hat und Richtung Ostring blickt. Janina Jeleńska-Papp will mit ihrem Kunstwerk auf die Stille hinter der geschaffenen Mauer hinweisen – tatsächlich ist der grüne Streifen eine Ruheoase im Vergleich zum urbanen Treiben. Das Material Beton wiederum verweist auf die Architektur der Stadtlandschaft des 20. Jahrhunderts.
Klangvoll durchs Grün
Wir verlassen die Stadt über den Bornekamp – eine beliebte Grünfläche, auf der sich zehn Kunstwerke verteilen. Uns hat vor allem der vierteilige Klangweg von Paul Fuchs begeistert: Holzblockwagen (1983), Windvogel (1983), Außerirdischer (1983) und Trompetentier (1985) reihen sich den Weg entlang.
Das Ensemble des Münchner Künstlers mag an einen zoologischen Garten erinnern, doch der Form nach entsprechen die Skulpturen Instrumenten. Und so können sie auch gespielt werden! Dem Holzblockwagen haben wir durch Klopfen der verschiedenen hohlen Balken unterschiedliche Töne entlockt. Während Drummer Jan wie wild einen Beat schlägt, kreire ich ein eigenes, kleines Lied.
Klangvoll geht es auf dem Weg zum Haus Opherdicke weiter: Ein paar Meter hinter der Autobahnbrücke auf der Wiese begrüßen uns sieben unterschiedliche Köpfe, die meditative Klänge von sich geben. „Siebenklang“ ist eine 1995 von Marlen Liebau errichtete Solarskulptur, könnte aber auch als ein großes Windspiel beschrieben werden. Die Luftströme erzeugen ihre eigene Tonkomposition und es ist absolut empfehlenswert, hier kurz zu verweilen und den „Colours of the wind“ zu lauschen.
Skulpturenpark Haus Opherdicke
Die nächste Station unserer Radtour ist das Museum Haus Opherdicke. Es ist nicht nur eines der 21 RuhrKunstMuseen, sondern überzeugt vor allem durch seine Anlage: Die Grundmauern des ehemaligen Herrensitzes gehen auf das 12. Jahrhundert zurück. Im 17. Jahrhundert wurde es nochmals umgebaut und von einem Wassergraben umschlossen. Heute ist das Gut eines der schönsten Baudenkmäler der Region. In den Gebäuden und der Außenanlage finden Ausstellungen mit Begleitprogramm sowie viele andere Veranstaltungen statt. Bei unserer Tour ist noch eine Bühne im Innenhof aufgebaut. Zur letzten Ausstellung gab es einen Audio-Walk vom Museum, aber auch so können in der Gartenanlage einige Kunstwerke entdeckt werden. Wir setzen uns inmitten der schönen Bronzefiguren auf die frischgemähte Wiese (danke für den Service!) und genießen unser selbstkreiertes Picknick.
Immer der Emscher nach
Nach einer ausgiebigen Pause fahren wir nach „Woodwicked“ (Holzwickede, das wir umbenannt haben, damit ich den Ort endlich richtig ausspreche). In der Quellenstraße 2 erwartet uns eine kubische Installation von Henrik Håkansson – oder auch nicht. Leider stehen wir vorm verschlossenen Tor des Emscherquellhofs – fail number… wie viel?
So können wir das minimalistische Kunstwerk „The Insect Societies“ nur durch den Zaun betrachten, doch die weißen Kuben-Netze auf dem Feld hintern dem Fachwerkgehöft sind groß genug. Der schwedische Künstler konzipierte die Kunstwerke, welche an Arbeiten von Sol LeWitt erinnern, 2016 für die Emscherkunst.
Entgegen der sonst rein konzeptuellen Idee erfüllen diese Arbeiten aber eine Funktion! Die weißen Würfel dienen als Unterschlupf für Insekten. In je acht Hohlräume wurden 2016 mit ortsansässigen Imkern hölzerne Honigbienenbeuten und Wildbienenkuben eingesetzt. Vielleicht war der Besuch aus der Ferne also gar nicht so schlecht. Unsere Wasserflaschen können wir allemal auffüllen – ein schöner, künstlerisch angehauchter Wasserspender steht im Schatten bei den Parkplätzen, für den wir dankbar sind und Euch hiermit weiterempfehlen. Entlang der Emscher (ein wunderschöner Wegabschnitt) radeln wir weiter zum Phoenix See.
Der See, der nicht unbedingt nach einem Vogel benannt ist
Am Phoenix See treffen sich Biker, Inline-Skater, Spaziergänger*innen, Skateboarder und die Cool Kids von morgen. Der unglaublich gute Bodenbelag sowie Ausblick laden dazu ein, den großen See zu umrunden oder auf einer Bank das Treiben auf dem Wasser zu verfolgen.
Und wie könnte es anders sein!? – Auch hier treffen wir auf Kunst. Im Westen, hinter dem See zum Beispiel befindet sich dem Verlauf der Emscher folgend (kurz vor Ortseingang) die Skulptur „Spirits of the Emscher Valley“. Eigentlich ein Teil von drei Figuren sind die Werke in einem partizipativen Prozess mit Menschen entstanden, die einen persönlichen Bezug zu den Dortmunder Stadtteilen Huckarde und Hörde haben. Die Künstler*innen Lucy und Jorge Orta haben in den Aluminiumskulpturen den Geist des Ortes durch Erzählungen und kollektive Erinnerungen der Mitwirkenden festgehalten.
Was zunächst wie eine Adaption der Bremer Stadtmusikanten wirkt, hält die Geschichte des Orts fest: Ehemals befanden sich hier die Hütten Phoenix-West und Phoenix-Ost, die bis 2001 stillgelegt wurden und das Ende der Dortmunder Schwerindustrie besiegelten. Das Werk Phoenix-Ost wurde abgetragen und nach China exportiert. Seit 2011 ist der Phoenix See Naherholungsgebiet und mittlerweile begehrte Wohngegend – also irgendwie ist auch dieser Phoenix aus der Asche wiedergeboren.
Es grünt so grün, wenn…
Der nächste Streckenabschnitt führte uns nach Dortmund – genauer gesagt zum Nordmarkt. Auf der Grünfläche im multikulturellen Norden Dortmunds treffen sich Einheimische, Familien und Fahrradfahrer*innen. Der liebevoll eingerichtete Grüne Salon im kleinen, grünen Bungalow mit eigenem Biergarten zieht aber noch eine ganz andere Szene an: junge, hippe Menschen, die gemeinsam den Feierabend genießen.
Die Monatskarte mit unter anderem veganen und vegetarischen Vor-, Haupt- und Nachspeisen trägt das ihre dazu bei. Da sind wir also genau richtig – abgesehen von unseren Biker-Outfits und müden Gesichtszügen. Ich bestelle mir eine wirklich köstliche Bowl mit Granatapfel und Pfifferlingen, Jan gönnte sich die toll angerichtete und wohlriechende Serrano-Pasta. Das Flair ist bezaubernd und die Stärkung tut richtig gut!
Dortmunds Graffiti-Szene
Vorbei am Dortmunder U mit seiner immer wieder beeindruckenden Bilderuhr von Adolf Winkelmann, kommen wir zum krönenden Abschluss unserer rArt-Tour: Murals im Unionsviertel. Die Ruhrgebietsstadt hat einiges an Street Art zu bieten, doch konzentrieren wir uns auf den Stadtteil „Dorfsfelder Brücke“ und vier Werke unterschiedlicher Künstler*innen: In der Dorstelmannstraße 2 wird ein Fassadenvorsprung seitlich von einem orange-gelben Streifen geziert. In den abstrakten Ornamenten, getaggt von Demon, kann man so einiges entdecken.
Eindeutig identifizierbar ist nur der Vogel am unteren rechten Eck. Eine weitere gefiederte Gestalt findet sich in der Adlerstraße 44, Dortmund. L7 Matrix aus Brasilien hinterlegte den Vogel im Flug mit knalligen Farbverläufen.
Düsterer und in der Farbpalette reduziert sind dahingegen sozialkritische Werke in der Paulinenstraße 23-25, 44137 Dortmund (Alice Pasquini) und in der Adlerstraße 17, 44137 Dortmund (Sepe & Chazme). Leider war es aufgrund der außerplanmäßigen Zeitverschiebung bereits dunkel, als wir ankamen. Daher danken wir an dieser Stelle Street Art Cities für die Fotos!
Hundemüde geht es für uns zum Hauptbahnhof. Wer noch ein Bier genießen will, dem empfehlen wir den Bergmann-Kiosk! Hier gibt es Dortmunder Traditionsbier im Ruhrpott-Style.
Der „Wrap up“ für die rArt-Tour 2021
Das Fazit oder – wie meine BWL-Dozentin zu pflegen sagte – „der Wrap up“ zu unserem kulturellen Fahrradausflug fällt rundum positiv aus: Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten und kleinen Überraschungen hatten wir einen wunderschönen Tag mit tollen Spots. Die 27 Grad Celsius waren ein Geschenk! Die Route von Unna nach Dortmund ist mit circa 40 Kilometern auch für diejenigen eine machbare Strecke, die Kunst normalerweise lieber im Museum als auf dem Drahtesel genießen.
Überzeugt haben uns aber vor allem die vielen Kunstwerke, die auf der Tour optimal verteilt sind. Die Arbeiten am Wegesrand sind ebenso schön wie die Landschaft – Klangkunst, Schrebergärten, Baumalleen, Skulpturenparks, Sonnenblumenfelder, Graffitis und Wasser. Was will Jan oder Frau(ke) mehr?!
Ein Artikel von Frauke-Maria Petry, die bis Januar 2022 bei Ruhr Tourismus im Bereich Kulturmarketing gearbeitet hat.