Am bisher stürmischsten Wochenende des Jahres treibt uns nicht nur der Wind durch die Straßen des Ruhrgebiets. Vor allem ist es die Neugierde auf die kulturellen Erlebnisse, die die Metropole Ruhr für uns bereithält. Was bei dieser Unternehmung auf gar keinen Fall fehlen darf? Die RuhrKultur.Card für die Ersparnisse bei den RuhrKunstMuseen und den RuhrBühnen mit dazugehörigem RuhrKultur.Guide für die Entdeckertipps abseits der Museen und Theater. Ihr werdet schnell merken, dass im Ruhrgebiet zwei Mal Bühne und drei Mal Kunst mehr als nur Fünf ergibt…
Bunt, bunt und noch einmal bunt – Das niu Cobbles in Essen
Da Koffer bei einer Entdeckungstour unheimlich unpraktisch sind, steuern mein Mann und ich zuerst einmal unsere Unterkunft für dieses Wochenende an. Der Himmel ist grau, im Gegensatz dazu das Innere des Hotels: eine Farbexplosion! Das niu Cobbles in Essen – Cobbles heißt übrigens Kohleklümpchen – überrascht uns mit vielen kunstvollen Details. So hat der Künstler Björn Holzweg auf jeder Etage und im Außenbereich des Hotels ein anderes Tier im urban-polygonen Stil an die Wände gezaubert.
Weitere Besonderheiten: Die Lampen in Form von Kanarienvögeln, die im Bergbau als CO2-Warnsysteme eingesetzt wurden oder die Grünpflanzen, die als Zimmergenossen ausgeliehen werden können. Nur eine Station vom Hauptbahnhof Essens entfernt, ist das niu Cobbles die perfekte Drehscheibe für unseren Kulturtrip.
Regenbogen auf dem Teller im Kimbap Spot in Bochum
Mittlerweile ist Mittag und dem grauen Wetter muss etwas entgegengesetzt werden. Also steuern wir nach der Ankunft in Bochum den Kimbap Spot ganz in der Nähe des Hauptbahnhofs an. Wir haben gehört, hier soll es mit koreanischem Soul Food bunt zugehen. Und wir klotzen anstatt zu kleckern und wählen die Rainbow Bowl UND den Rainbow Maki Mix. Bei den Restaurantempfehlungen verlassen wir uns zu 100% auf den RuhrKultur.Guide – und was bleibt zu sagen? Der erste Stopp hat uns nicht enttäuscht!
„Scheinbar: nichts“ im Museum unter Tage in Bochum
Eine kurze Bahnfahrt zum Schlosspark Weitmar später, ist es so weit: Wir steigen die Treppen in die Windstille hinab und zücken im Museum unter Tage, das zum Netzwerk der 20 RuhrKunstMuseen gehört, erstmals unsere nigelnagelneuen RuhrKultur.Cards. Wie aufregend!
Alles geht glatt und wir finden uns kostenlos in der Ausstellung „scheinbar: nichts“ mit Bildwelten des chinesischen Malers Qui Shihua konfrontiert, die in den Dialog mit Werken der Ruhr-Uni-Sammlung treten. Auf den ersten Blick ist auf den Bildern Quis überhaupt nichts zu sehen. Es braucht einen Moment, bis sich die fast weißen Flächen zu Landschaften zu verwandeln scheinen… Eine ganz schön herausfordernde, aber auch spannende Seherfahrung! Nicht ohne Grund gilt Qui Shihua zu den herausragendsten chinesischen Künstlern der Gegenwart. Die Ausstellung ist übrigens bis zum 5. Mai verlängert worden – also nichts wie hin!
Auf Kunstgenuss folgt Kaffeelust
Wie praktisch, dass eines der besten Cafés Bochums direkt neben dem Museum unter Tage, im KUBUS der Situation Kunst liegt.
Während sich draußen die Bäume biegen, machen wir es uns mit Cappuccino, Flat White und noch warmem Käsekuchen im Baristoteles gemütlich. Das Feinkoks kann sich nicht nur sehen, sondern auch schmecken lassen. Und obwohl wir uns von den freundlichen Mitarbeiter*innen im Baristoteles gut umsorgt und dank der fröhlichen Atmosphäre sehr wohl fühlen, wartet der nächste Museumsbesuch auf uns: Also, auf in den Sturm, auf nach Gelsenkirchen…
Gelsenkirchen: Kinetische trifft auf ganz junge Kunst
Nach einer dieses Mal etwas längeren Bahnfahrt erreichen wir Gelsenkirchen-Buer. Bevor wir am Abend eine Premiere im Musiktheater im Revier erleben werden, nutzen wir die Zeit am Spätnachmittag für einen Besuch der Ausstellungen im Kunstmuseum Gelsenkirchen. Die RuhrKultur.Card – mit der jeder Kunstfan ein Jahr lang einmal jedes der 20 RuhrKunstMuseen kostenlos besuchen kann – brauchen wir hier gar nicht. Der Eintritt ist immer frei
Ob mit oder ohne Card, beim Betreten des Museums wird schnell klar: Das ist DER Ort für alle, die Kunst in Bewegung mögen. Denn deutschlandweit ist die Menge und Qualität so genannter kinetischer Kunst, wie sie hier in Gelsenkirchen zu finden ist, eine absolute Seltenheit. Es macht Spaß, die vielen Knöpfe zu drücken und die Mechanismen nachzuvollziehen, die die Kunstwerke in Bewegung setzen.
Besonders neugierig war ich auf die Sonderausstellung „Welt zum Gegenstand“, die die neusten Werke der Klasse Weber von der Kunstakademie Münster zeigt. Die wunderschöne „Alte Villa“ – der ältere Teil des Kunstmuseums – bildet den perfekten Rahmen für die verschiedenartigen bildhauerischen Arbeiten der jungen Künstler*innen. Gießkannen, Kekse, Gläser, Stühle, Koffer, Rollwagen, Wäscheleinen, Tische, Plastikfolien… All diese Alltagsobjekte entdecken wir in ihren Werken. Aber was macht diese überhaupt zu Kunstobjekten? Wie ein Bildhauer im Stein die Figur erkennt, die er meißeln wird, heben die Studierenden das versteckte Potential der Alltagsgegenstände in ihrer Kunst. Klingt spannend? Die Ausstellung ist noch bis zum 28. April 2019 zu sehen.
Bang Bang Burgers & Beer und „Big Fish“
So viel Kunstbetrachtung macht hungrig. Bevor wir also im „Schönsten Theater im Revier“ diesen kulturreichen Tag beenden, machen wir uns auf den Weg zu Bang Bang Burgers & Beer – ein weiterer Tipp aus dem Guide. Auf unseren Tellern landen ein „Ernst Kuzorra seine Frau ihr Burger“, ein „Insane Urban Cowboy Burger“ und eine große Portion Süßkartoffel-Pommes – mit viel Humor, Liebe zum Detail und dem Streben nach Nachhaltigkeit ist dieses Restaurant ein Muss auf der Tour durch Gelsenkirchen!
Ein absolutes Muss für alle Theater- und Architekturfans beim Besuch Gelsenkirchens: Das Musiktheater im Revier! Schon oft war ich hier, heute aber werde ich zum allerersten Mal eine Inszenierung im Großen Haus sehen. Genau genommen: Es wartet die Premiere des Musicals „Big Fish“ auf uns. Wir genießen im Foyer einen Drink und die knisternde und aufgeregte Stimmung, die sich vor einer Premiere breit macht.
Vom New Yorker Broadway ins Gelsenkirchener Musiktheater
Und dann hebt sich der Vorhang für ein – wie könnte es an diesem Wochenende anders sein? – knallbuntes und turbulentes Musical mit tollem Gesang, fetzigem Tanz, fantasievollen Kostümen und bezauberndem Bühnenbild. Der Vater-Sohn-Roman aus der Feder des Amerikaners Daniel Wallace schaffte es in die Kinos, zum Broadway und wird in Gelsenkirchen nun bis zum 29. Juni noch acht Mal inszeniert. Mit der RuhrKultur.Card gibt es im Gültigkeitsjahr bei jeder der 11 RuhrBühnen eine Vorstellung Eurer Wahl zum halben Preis.
Unterwegs in Essen: Neuer Tag, noch mehr Kultur
Nach einer sehr erholsamen Nacht freuen wir uns auf ein ausgiebiges Frühstück im Hotel. Sonntags gibt es das sogar bis 11:30 Uhr – Ausschlafen ist im niu Cobbles also inklusive, ebenso das Frühstück an sich.
Das erste Ziel für heute fest im Blick, wagen wir uns erneut in den Sturm. Nach einem kurzen Fußweg zücken wir an der Kasse des Museum Folkwang erneut unsere RuhrKultur.Cards und erhalten kostenlosen Zutritt zur Ausstellung „Emil Pirchan: Plakat – Bühne – Objekt“. Der Besuch der Sammlung ist übrigens immer frei, ebenso wie die öffentlichen Führungen. Also schließen wir uns prompt einer solchen an und erhalten richtig viele Hintergrundinfos zum Universalkünstler Emil Pirchan.
Emil Pirchan – ein Universalkünstler im Museum Folkwang
Die Retrospektive ist nicht chronologisch, sondern thematisch organisiert, wodurch der Facettenreichtum in Pirchans Schaffen umso deutlicher wird: Illustrationen, Bücher, Plakate, Architektur, Filme, Kostüme, Möbel oder Bühnenbilder – seine Idee von Kunst ist auf Wirkung ausgelegt. Pirchan ist einer der wenigen Künstler seiner Zeit, der keine Berührungsängste mit Auftragsarbeiten zu Werbezwecken hatte. Im Gegenteil: Er verstand es mit flächig-farbigen Darstellungen die Spannung zwischen künstlerischer Absicht und Zugeständnissen an die Kundenwünsche aufzuweichen. So konzentriert, wie in der Ausstellung im Folkwang, waren die Arbeiten bisher nur in München zu sehen. Um den Besuch der Ausstellung kommt Ihr also nicht herum, wenn Ihr Euch für das Kunstgewerbe des frühen 20. Jahrhunderts interessiert.
Bauchmuskelkater inklusive: Cash – Und ewig rauschen die Gelder
Bis wir den Weg zu unserem letzten Programmpunkt auf diesem Kulturtrip antreten, legen wir eine kleine Kaffee- und Kuchenpause beim Projekt Zweibar auf der Rü ein. Zwar bringen sich hier grade viele Menschen vor dem aufkommenden Sturm in Sicherheit, aber wir finden noch ein gemütliches Plätzchen und genießen den „wahrscheinlich besten Kaffee der Stadt.“ Wie sich herausstellte, sollten wir diesen auch brauchen. Denn um beim Tempo, den Wortspielen und Verwechslungen der Farce „Cash – Und ewig rauschen die Gelder“ im Grillo-Theater mitzukommen, müssen wir hellwach sein! Hier erleben wir Sprechtheater at its best. Das Timing der anderthalbstündigen Inszenierung macht uns fast schwindelig, die Situationskomik und der schwarze Humor treiben uns vor Lachen die Tränen in die Augen und den Muskelkater in den Bauch!
Lachtrunken checken wir vor dem Theater die Bahn-App für die Planung des Heimwegs und befürchten schon, was auf uns zukommt, während uns der Wind um die Ohren bläst: Nichts geht mehr im Bahnverkehr! Und dabei hat uns der oft verfluchte öffentliche Nahverkehr im Ruhrgebiet an diesem Wochenende beste Dienste geleistet… Kurzum: Wir lassen uns von guten Freunden abholen und kommen nicht umhin, stürmisch von unserem turbulenten Kulturtrip mit all den vielfältigen Eindrücken zu berichten und ganz viel Werbung für einen Ausflug in das Kulturgebiet Ruhr zu machen…
Ein Artikel von Britta Rübsam von www.freigetextet.de.