Akkurat geschnitten und dunkelgrün reihen sich die Büsche am Hang auf. Die Blumen blühen wie mit dem Geodreieck vermessen. Hinter dem plätschernden Brunnen ragen kleine Türmchen in die Luft. Bin ich im Mirabellengarten von Salzburg? Nein – mitten im Ruhrgebiet, in Kamp-Lintfort! Nach meiner ersten Tour mit Kamera und Stativ im vergangenen Jahr, bin ich wieder unterwegs. Um zehn neue, aufregende Fotospots im Ruhrgebiet für dich zu finden. Zum Hinfahren, Staunen und Ablichten!
Barocke Gärten und ein Kloster in Kamp-Lintfort
Startpunkt ist dieses Mal Kloster Kamp in Kamp-Lintfort, Kreis Wesel. Ein bisschen versteckt hinter einer unscheinbaren Wohnsiedlung tut sich auf einmal ein herrschaftliches Gebäude mit einem weitläufigen Terrassengarten auf. 1150 entstand hier die erste Klosterkirche. Im 17. Jahrhundert wurde dann nach einigen Kriegsunruhen endlich alles fertig. Dagegen erscheint der Berliner Flughafen als Blitz-Projekt, wird aber vermutlich bei Weitem nicht so schön. Einen tollen Überblick über die Gartenanlage bieten die Aussichtsbalkone an den kostenfreien Terrassengärten. Am besten kommt die Landschaftsarchitektur auf dem Foto zur Geltung, wenn du dir einen Platz genau mittig der Beete sucht. Dann sticht die Symmetrie besonders schön heraus. Mein Tipp: Unbedingt auch nach unten gehen und die Gegenansicht mit Schloss fotografieren! Hier kannst du im Sommer schön den Brunnen oder einige Blumen in den Vordergrund nehmen.
Zwei Fotospots im Ruhrgebiet zum Klettern: Halde Norddeutschland und Tiger & Turtle
Nicht weit von Kloster Kamp entfernt liegt die Halde Norddeutschland in Neukirchen-Vluyn. Trotz ihres verwirrenden Namens liegt sie ganz eindeutig im Ruhrgebiet. Ganz oben auf der 102 Meter hohen Aufschüttung findest du ein Gewächshaus ohne Fenster. Naja, das Kunstwerk heißt in Wirklichkeit „Hallenhaus“. Es hat etwas Surreales und lässt sich toll aus verschiedenen Perspektiven und auch mit Menschen inszenieren. Besonders als Weitwinkel-Motiv mit Wolken ist es spektakulär. Allerdings hat dieser Fotospot seinen Preis: 359 Stufen auf 52 Höhenmetern…
Ebenfalls klettern kannst und musst du am nächsten Punkt der Reise. Dieser führt uns nach Duisburg zu einem Kunstwerk, das von weitem wie eine Achterbahn wirkt: „Tiger & Turtle – Magic Mountain“. Allerdings fahren hier keine Kirmeswagen, sondern du kannst das Konstrukt selbst zu Fuß begehen! Bis an die Grenze des Loopings führen die Stufen. Von dort aus gibt es eine Panorama-Aussicht über die Landschaft und immer wieder tolle architektonische Blickwinkel auf das Gerüst selbst. Achtung: die Stufen bestehen nur aus Gittern, der Blick geht bis nach unten. Höhenangst und fallende Objektivdeckel sind nicht empfehlenswert. Ganz toll sieht „Tiger & Turtle“ auch in der Dunkelheit aus, wenn es illuminiert wird.
Museumsbahnsteig und Spiralbrücke – Fotospots im Ruhrgebiet bei Tag und Nacht
Jetzt noch schnell nach Oberhausen! Dort warten gleich zwei Foto-Highlights auf Kamera-Fans. Einer befindet sich mitten im Hauptbahnhof. Das Ganze hat etwas von Bahnsteig 9 ¾ aus Harry Potter. Ich laufe erst zwei Mal daran vorbei, bevor ich den Eingang finde. Mitten zwischen dem aktuellen Verkehrsbetrieb liegt der Museumsbahnsteig! Auf Gleis 4 und 5 des Oberhausener Hauptbahnhofs. Statt der nächsten Regionalbahn wartet hier ein historischer Zug mit spannenden Kunstobjekten. Wenn es dunkel wird, leuchtet das gesamte Ensemble in stimmungsvollen Farben.
Nur einen Katzensprung weiter liegt die Brücke „Slinky Springs to Fame“ – ganz in der Nähe von Gasometer und Schloss Oberhausen. Das spiralförmige Konstrukt mit dem bunten, gummiartigen Boden bringt dich über den Rhein-Herne-Kanal. Auch hier ist ein Besuch bei Tag und Nacht sehr empfehlenswert. Aber aufgepasst bei Langzeitbelichtungen im Dunkeln mit Stativ: die Brücke schwingt, sobald sich Menschen auf ihr befinden und das Motiv verwackelt leicht.
Ein Gastank mit Punkten und ein Schloss mit Narzissen
Am nächsten Tag kann es weitergehen. Zu einem Kugelgasbehälter. Klingt erst einmal nicht so spannend und sehr technisch. Doch was ist, wenn das Objekt leuchtend blau ist und lustige, gelbe Punkte hat? Eben – da sieht das schon ganz anders aus! Mitten zwischen Emscher und Rhein-Herne-Kanal auf der Brücke Adenauerallee in Gelsenkirchen steht „Der Ball“. Künstler Rolf Glasmeier hat den Tank 1985 in dieses besondere Foto-Highlight umgewandelt. Am schönsten zur Geltung kommt er bei blauem Himmel und Sonnenschein. Und weil er keine feste Adresse hat, gibt es hier die Koordinaten: 51°32’39.4″N und 7°05’03.8″E.
Noch etwas weiter westlich wird es wieder herrschaftlich. Und blumig. Denn Schloss Herten mit seinen treppenartigen Giebeln und dem Wassergraben bietet zu jeder Jahreszeit tolle Spiegelungen und einen herrlichen Park als Kulisse. Ganz besonders sehenswert ist dieser Fotospot zu Ostern. Dann blühen auf der Wiese vor dem Schloss tausende von Narzissen und bilden einen riesigen, gelben Teppich. Perspektiven-Tipp: Einfach mal auf den Boden hocken und sich auf Augenhöhe mit den Blüten begeben.
Das Dortmunder U und das Colani-Ei von Lünen: Foto-Highlights im Ruhrgebiet
Von Herten führt mich mein Weg nun nach Dortmund und Lünen an den westlichen Rand des Ruhrgebiets. In Dortmund, direkt an der Innenstadt, erhebt sich mit dem Dortmunder U der ehemalige Turm der Union Brauerei. Das golden leuchtende „U“ ist an sich schon ein Hingucker. Besonders aufregend sind jedoch die „Fliegenden Bilder“ unterhalb des Symbols. Die Filminstallation von Adolf Winkelmann umrundet den Turm einmal komplett mit LED-Screens und zeigt ständige wechselnde Szenarien. Mal tauchen Fische durch die Dachkrone, mal lodert das Feuer der Kohle und mal gurren virtuelle Tauben von oben herab. Auch im Hellen sehenswert!
Richtig schräg wird es in Lünen. Da ist ein Ufo auf einem Zechenturm gelandet. Und zwar auf dem Schacht der ehemaligen Steinkohlenzeche Minister Achenbach. „Colani-Ei“ nennt der Ruhrgebietler das Kunstwerk – frei nach Designer Luigi Colani. Natürlich besonders ufo-esk bei Nacht, wo es beleuchtet wirklich den Eindruck erweckt, eine fremde Macht wäre soeben gelandet. Vielleicht schaffst du es, den Mond mit auf dein Bild zu bekommen.
Waggons, Aussichtstürme und Industrieromantik in Hattingen
Ganz zum Schluss führt mich die Foto-Tour noch einmal in den Süden des Ruhrgebiets. Nach Hattingen. Dort steht das LWL-Industriemuseum Henrichshütte. Das große Areal mit den Hochöfen ist heute komplett als Museum zugänglich und hat nichts von seiner Authentizität verloren. Bunte Eisenbahnwaggons auf Schienen, monumentale Gerüste und ein Aussichtspunkt von einem Hochofen aus, lassen die Kamera glühen. Hier kannst du gleich mehrere Stunden verbringen, auf Trassen spazieren und das vielseitige Gelände von oben und unten unter die Lupe nehmen. Einen Teil des Gebiets hat sich auch die Natur zurückerobert. Makro-Fotografen können also auch Schmetterlinge und Hummeln erwarten.
Fotografieren im Ruhrgebiet – immer einen Ausflug wert!
Nach dieser Tour ist die Speicherkarte ganz sicher gut gefüllt. Und es steht fest: Niemand muss nach Salzburg reisen. Denn die schönsten und spannendsten Fotospots liegen doch einfach mitten im Ruhrgebiet!
Auch mal ein Tipp von einem Nichtruhrpottler 🙂
Zeche Nachtigall in Witten (Ursprung des Bergbaus ) klein aber fein
und viele mehr unter http://www.route-industriekultur.ruhr/?L=750 und unter https://www.lwl.org/industriemuseum
So macht fotografieren im „Pott“ Spass
Sehr interessante Locations zum fotografieren! Da ich aus dem Bergischen Land komme, waren mir einige Orte noch unbekannt. Ich bin gespannt, ob da noch mehr kommt.