Einfach mal raus aus der Stadt und hinein ins Landleben. Das ist doch gerade im Hochsommer ein häufiger Grund für eine Radtour. Daher stelle ich Euch heute eine schöne Grenzgängertour über rund 60 Radkilometer vor, die Euch von Hamm hinein in den Kreis Warendorf führt. Meinen Kollegen Pascal, mit dem ich zusammen geradelt bin, und mich hat die Tour gleich in zweierlei Hinsicht schwer begeistert: Das wunderschöne Zechenensemble der Zeche Westfalen ist Industriekultur vom Feinsten und lässt das Herz jeden Bergbauromantikers höher schlagen! Und mit den überraschenden Höhenmetern rechnet wohl kaum einer im Münsterland. Dabei schmeicheln die weich geschwungenen Hügel doch sehr den Augen und machen die Fahrt zu einer ausgesprochen abwechslungsreichen Radtour.
Los geht´s am Schloss Oberwerries in Hamm
Wir starten die Tour am großen Wanderparkplatz direkt vor dem Schloss Oberwerries in Hamm. Wer mit dem Zug anreisen möchte und noch ein paar Kilometer mit dem Rad mehr verträgt, kann auch vom Hauptbahnhof in Hamm losradeln und dann am Kanal entlang nach Osten fahren. Vom Schloss Oberwerries führt die Tour zunächst sehr entspannt über Felder nach Dolberg.
Dorfidylle in Dolberg
In Ahlen-Dolberg geht es vorbei an schicken Fachwerkhäusern hinein in einen kleinen aber doch sehr schönen Ortskern. Die Kirche markiert wie in den meisten Dörfern das Zentrum. Schließlich zieht es uns weiter, wieder raus aus Dolberg, und schnell erreichen wir die Zechenbahn, die von Hamm nach Ahlen führt. Zur aktiven Zeit der Zeche fuhren hier neben Gütern auch viele Kumpel zur Arbeit auf der Zeche Westfalen. Heute können wir ganz entspannt auf einem sehr gut ausgebauten Bahntrassenradweg radeln.
Wir passieren weite Felder und immer wieder stehen Infotafeln am Wegesrand, die die Geschichte der Trasse und der Region erklären.
Die Zeche Westfalen in Ahlen
Die alte Zechenbahn führt wie der Name schon verrät direkt zur ehemaligen Zeche Westfalen. Die Osthalde direkt neben der Zeche taucht mit ihren 173 Metern über NN schon früh am Horizont auf. Dann lassen sich auch schnell die markanten gelben Seilscheiben auf den Zechengerüsten erkennen. Wir stoßen mit dem Bahntrassenradweg auf den WerseRadweg, biegen aber schnell ein auf das große Zechengelände.
Das Areal ist wunderbar in Schuss und ein beliebtes Veranstaltungsareal. Ein Restaurant und ein Tanzclub stehen für die neue Nutzung als ungewöhnliche Trendlocation.
Eine Boule-Bahn zeigt dagegen, dass man hier auch sehr gut das Leben einfach nur entspannt genießen kann. Wir halten uns an letztere Nutzung, hocken uns in die weiten Wiesenflächen die aktuell so herrlich blühen und lassen das Ensemble der Zechentürme und Gebäude einfach auf uns wirken – ein wunderbarer Ort!
Der WerseRadweg
Es hilft nichts, so schön der Ort auch ist, irgendwann müssen wir dann doch weiter radeln. Denn es liegen ja noch einige Radkilometer im schönen Kreis Warendorf vor uns. Nach einer ordentlichen Ehrenrunde über das Zechengelände fahren wir zurück zum WerseRadweg. Die Werse ist hier kein großer Fluss, sondern viel mehr ein ausgewachsenes Bächlein, das sich meist wunderbar mäandrierend durch die Landschaft schlängelt. Der Radweg ist zwar schmal, aber es ist auch nicht allzu viel los auf diesem Abschnitt. Wir können die Seele baumeln lassen und genießen den leichten Fahrtwind und die herrliche Ruhe. Der WerseRadweg ist auf jeden Fall das Highlight dieser Radtour mit dem größten Entspannungsfaktor.
Links von uns liegt die Werse, die sich meist in einem kleinen Naturdickicht versteckt, aber dann doch immer wieder mal sichtbar vor sich hin plätschert. Eine kleine Baustelle (am 01.06.2021) zwingt uns kurzzeitig auf eine bestens ausgeschilderte Umfahrung über die parallel verlaufende Landstraße. Aber auch hier ist wenig los und schnell geht’s zurück zum eigentlichen WerseRadweg. Eine Aussichtsplattform gibt den Blick frei auf das kleine Naturjuwel.
Die Blaue Lagune
Nach guten 20 Kilometern erreichen wir das nächste Naturparadies auf dieser Radtour. Wir verlassen kurz den Radweg neben der Werse, überqueren eine Landstraße und gelangen zur Blauen Lagune, einem Naturschutzgebiet in Beckum.
Bis 1996 war das Gelände ein Kalksteinbruch und damit ein wichtiger Standort der örtlichen Zementindustrie. Seit der Stilllegung hat sich der Steinbruch zu einem tollen, für mich eher mediterran wirkenden Naturidyll entwickelt. Es ist ziemlich warm heute und wir haben den Eindruck, dass wir plötzlich irgendwo in Süditalien oder Spanien sind. Das Wasser ist intensiv türkis-blau gefärbt, eine steppenartige Vegetation gedeiht um die Wasserflächen und auf den kleinen Inseln. Die Hitze drückt plötzlich, denn der steppenartige Boden scheint wie ein Pizzastein die Wärme aufzunehmen und an uns Radler zurückzugeben. Die Blaue Lagune ist ein wirklich faszinierender Ort, der uns für wenige Pedalumdrehungen in eine andere Klimazone katapultiert.
Mittagspause in Beckum
Der kurze Ausflug nach Südeuropa hat uns durstig und hungrig gemacht. Wir gelangen wieder an die Werse, die uns schnell ins kleine Städtchen Beckum leitet. Man muss schon fast aufpassen, dass man an der „grünen Ader“ der Werse nicht am Ortskern vorbeiradelt. Nach 25 Kilometern schieben wir unsere Räder kurz durch die Fußgängerzone im Zentrum.
Hier finden Radler gleich mehrere Restaurants. Das Café Extrablatt hat seine Terrasse geöffnet und wir finden ein schattiges Plätzchen. Passend zum kurzen Abstecher nach Süditalien gönne ich mir eine leckere Lasagne mit frischen Kräutern und Tomatenstücken obendrauf.
Der Aktivpark Phoenix
Was bei uns im Ruhrgebiet die Zechentürme sind, scheinen hier in der Gegend die Zementfabriken zu sein. Die nächsten Kilometer stehen daher ganz im Zeichen der Zement-Geschichte der Region. Nach ein wenig Stadtverkehr rollen wir durch den Aktivpark Phoenix.
Auch dieses Freizeitareal war ursprünglich mal ein Steinbruch. Die großen Zementwerke stehen in Sichtweite, jedoch wird der Park heute zur aktiven Erholung genutzt. Neben einem tollen Spielplatz treten vor allem der Discgolf-Parcours und die beiden großen Kletterwände des Deutschen Alpenvereins in Erscheinung. Eine historische Dampflokomotive steht unmittelbar am schönen See und wird zum dankbaren Fotomotiv.
Die Zementwerke von Beckum
Wir umfahren das große Zementwerk Phoenix, wenig später geht es direkt am Zementwerk Mersmann vorbei und wir sammeln viele Eindrücke von der für die Region wichtigen Geschichte der Zementproduktion.
Der Höxberg
Wir haben es kaum mitbekommen, aber irgendwie ging es die letzten Kilometer immer wieder etwas berghoch. Wir nähern uns dem Höxberg und stellen fest, dass wir doch eigentlich nie einen Berg hochgefahren sind und nun dennoch an einer beeindruckenden Kante stehen und einen weiten Blick hinein ins Sauerland genießen können.
Stattliche 163 Meter ist der Höxberg hochgelegen, eine kleine Schutzhütte bietet sich als Pausenort an. Wir lassen auch hier den Anblick intensiv auf uns wirken, denn mit so einem Panoramablick hatten wir nicht gerechnet. Als Ruhrpottler denkt man immer, dass das Münsterland eher flach ist – Pustekuchen. Zumindest hier im Kreis Warendorf setzen unzählige kleine Hügelchen wunderbare Akzente in die Landschaft und bereichern unsere Radtour.
Wir passieren eine äußerst fotogene Windmühle, bevor wir uns über den Stauferberg in eine rasante Abfahrt werfen.
Landleben – über die Felder im Kreis Warendorf
Jetzt sind wir endgültig wieder im puren Landleben angekommen. Wir fahren durch Felder und an Höfen vorbei, immer wieder geht es etwas rauf und wieder runter. Nie dramatisch und mit dem E-Bike ganz sicher nicht anstrengend, dafür einfach nur schön. Das Leben kann halt doch so einfach sein. Hier können wir schnell Kilometer sammeln und kommen dementsprechend zügig voran.
Augen zu und durch
Wir erreichen den Hauptweg, der uns links bergab zu großen Dolberger Straße bringt. Jetzt folgt der unangenehmste Teil der Tour, denn wir müssen für 1,4 Kilometer ein wenig neben der Bundestraße fahren. Leider gibt es nicht wirklich eine Alternative zu dieser Strecke, denn nur so können wir auf die andere Seite der A 2 gelangen. Wir treten ordentlich in die Pedale und haben dann auch dieses Teilstück schnell gemeistert.
Kuchen – geht einfach immer – und erst Recht bei Tante Malchen
Nach dem kurzen Sprint haben wir uns doch auch gleich eine kleine Belohnung verdient. Wir erreichen den Hofladen mit Café Tante Malchen. Leider hat das Café am Dienstag Ruhetag und wir sind nun mal an einem Dienstag unterwegs. Im Hofladen bekommen wir aber dennoch ein leckeres Stück Erdbeerkuchen mit Besteck, sodass wir uns auf einem nahegelegenen Holzstamm ein kleines Päusken gönnen. Wer beim Erdbeerkuchen unten auf den Tortenboden noch eine verführerische Schicht Schokolade setzt, macht als Konditor in meinen Augen einfach alles richtig. Der Kuchen ist mega lecker und gibt uns die nötige Energie für die Schlussetappe.
Der Hindu-Tempel in Hamm
Auf der Zollstraße queren wir die Lippe und nach ein wenig Stadtverkehr erreichen wir den Sri Kamadchi Ampal Tempel in Hamm. Wiedermal sind wir auf dieser Tour überrascht, denn der Hindu-Tempel katapultiert uns schon wieder in eine andere Gegend, dieses Mal sogar auf einen anderen Kontinent. Er ist der größte erbaute tamilische Tempel Europas, aber so richtig will er optisch in das umliegende Industriegebiet dann doch nicht passen.
Wasserski und Lippeauen
Wir nähern uns dem Ende der Radtour. Ein kurzes Stück fahren wir am Datteln-Hamm-Kanal entlang, der hier nur noch selten von Schiffen befahren wird. Wir queren die Zechenbahn, die uns am Anfang der Tour zur Zeche Westfalen gebracht hat. Hier könnte man ein gutes Stück der Tour abkürzen, wenn einem die 60 Kilometer zu lang sind und man nicht zwingend am Schloss Oberwerries starten möchte. Wir radeln jedoch weiter und passieren schnell die Wasserskianlage in Hamm. An heißen Tagen bietet sich der See auch einfach nur für einen Badestopp im Strandbad an, denn der Eintrittspreis ist überschaubar.
Schließlich führen uns die letzten Meter nochmal richtig schön durch die Lippeauen mit einem intensiven Naturerlebnis. Es lohnt sich, hier nochmal das Rad am Wegesrand abzustellen und auf die Aussichtsplattform oder den kleinen Fußgängerrundweg zu gehen.
Die Lippefähre Lupia
Am Ende wartet nur noch eine letzte Herausforderung auf uns Radler. Wir sehen bereits das Schloss Oberwerries, müssen uns aber noch auf die andere Seite der Lippe bringen. Dafür können wir auf der kleinen Lippefähre Lupia selber zum Fährmann werden. Über eine Metallkette ziehen wir die Radlerfähre über den kleinen Fluss. Das ist durchaus nochmal anstrengend, daher müssen mindestens zwei Personen auf der Fähre sein. Es macht aber auch ordentlich viel Spaß. Auf der anderen Flussseite sind wir dann schon am Ziel der Radtour durch den Kreis Warendorf angekommen.
Fazit: Ein lohnenswerter Ausflug ins Landleben
Uns hat die Tour echt überrascht. Der Kreis Warendorf bietet eine kleine Auszeit mit herrlicher Landidylle an, um einfach mal vom Alltag abzuschalten. Auch diese Grenzgängertour lohnt sich, um mal eben das radrevier.ruhr zu verlassen und die Nachbarschaft zu erkunden. Mit der Zeche Westfalen erwartet Euch sogar ein tolles Industriedenkmal direkt am Wegesrand und die Kulinarik kommt (ich sag nur Erdbeerkuchen mit Schokoboden!!!) auch nicht zu kurz. Also, rauf aufs Rad und viel Spaß beim Nachradeln!
P.S. Das radrevier.ruhr ist einfach ein wunderbares Radreiseziel, aber auch ums Ruhrgebiet herum kann man schick Radeln. Noch mehr Grenzgängertouren, die vom Ruhrgebiet zu unseren Nachbarn führen, findet Ihr übrigens in unserer neuen Komoot-Collection: