Es gibt viele Dinge, die ich am Ruhrgebiet einfach mega finde! Zwei, die mein Ruhrpott-Herz höher schlagen lassen und zusätzlich „wie Arsch auf Eimer“ zueinander passen, sind unsere Buden & Fußballkultur! Da ich vor Kurzem für das Projekt RUHR.FUSSBALL an den Start gegangen bin und unsere Trinkhallen jetzt immaterielles Kulturerbe sind, liegt es also nah, diese beiden Aushängeschilder der Region mal unter die Lupe zu nehmen! Durch mein Fußballherz fließt blau-weißes Blut und deshalb bin ich zum Auftakt nicht ganz zufällig in Gelsenkirchen unterwegs 😉
Anpfiff in Gelsenkirchen Horst
Sven, Gründungsmitglied von und Gästeführer bei Visit.Ruhr und nebenbei mein Kindergartenkamerad, zeigt mir einige Buden und Bolzplätze in Gelsenkirchen, denn hier gibt es jede Menge mehr Fußballvibes, als die des FC Schalke 04. Wir beginnen unsere Buden & Bolzplatzwanderung – die wir im Übrigen um das Verkehrsmittel Fahrrad erweitern – im Norden der Stadt, in Gelsenkirchen – Horst bei Udo – wie kann es anders sein – einer blau-weißen Bude.
Zentral gelegen, mit Parkmöglichkeiten direkt vor der Tür, zu Fuß brauchen wir diese natürlich nicht. Wir erfrischen uns bei geschmeidigen 35 Grad Außentemperatur nur kurz mit einem kühlen Wasser und starten dann direkt durch zum ersten Fußballplatz, dem Fürstenbergstadion, ehemaliger Heimstätte der Emscherhusaren (STV Horst Emscher), bei dem auch Olaf Thon in seiner Jugend spielte, die sich nach dem zweiten Weltkrieg sogar zeitweise vor dem FC Gelsenkirchen-Schalke 04 platzieren konnten.
Die heutige Spielstätte des BV Horst-Süd 1962 wird derzeit für die Saison renoviert, wir werfen dennoch schon mal einen Blick auf das wunderschöne Grün und die einladende, überdachte Tribüne.
Im Ohr habe ich die stimmungsvollen Rufe der ZuschauerInnen und in der Nase den Duft von Bratwurst & Bier – ein echter Klassiker im Stadion auf den ich mich jetzt schon freue!
Sowatt von Urban Hiking
Unsere Urban-Hiking-Tour führt uns weiter Richtung Nordsternpark vorbei am Kiosk Kul! Hier könnt Ihr Euch bereits ab 4.00 Uhr mit Wassereis, Kaltgetränken und einer süßen Tüte versorgen – unterzuckern muss hier also niemand ;-). „Für 70 „Pfennig“ (ja, wir sind Kinder der 70er Jahre) Wassereis“ ist die Bestellung, die bei uns über die Ladentheke geht – sehr erfrischend und ein kleiner Energieschub für die weitere Strecke.
Da die Route bis zur nächsten Versorgungsstation etwas weiter ist, wandert noch ein großes Wasser in den Rucksack (echt untypisch für mich). Unser Weg führt entlang der ehemaligen Zeche Nordstern, dem Nordsternturm (mit Herkules) durch den Nordsternpark über den Nordsternweg zu einem echten „Lost Place“.
LOST in Lindenbruch
Das Stadion am Lindenbruch – auf Essen-Katernberger Boden gelegen – wurde 1931 von der Bevölkerung aus dem Umfeld der Zeche Zollverein erbaut. Gefürchtet wegen der Nähe der Ränge zum Spielfeld, fanden die Begegnungen hier zunächst auf Asche statt.
Helmut Rahn, späterer Nationalspieler, spielte hier bei den Sportfreunden Katernberg vor teilweise bis zu 25.000 Zuschauern, wechselte aber nach dem Abstieg des Vereins aus der Oberliga West zu Rot-Weiß Essen. Für die Ablösesumme von 7.000 Mark ließ der Verein einen Bretterzaun hinter der „Beisener Kurve“ errichten. „Helmut Rahn sein Zaun“ sollte die Zuschauer vom „schwarzgucken“ abhalten. Seit 2018, das Jahr in dem der Spielbetrieb eingestellt wurde, verfällt das Gelände.
Auch die Eingangstafel ist abmontiert, die Tickethäuschen zeugen jedoch noch vom regen Fan-Zustrom. Heute kann ich mir sehr gut vorstellen, hier mal ein Picknick zu machen und einfach eine Runde zu kicken!
Von Erinnerung zu Erfrischung
Nur ein kurzes Stück zu Fuß entfernt liegt „Jimmys Kiosk“, klar, dass wir da anhalten und neben Fotos ein kleines Päuschen machen. Lesestoff ist genug da – in diesem Fall genügen die Überschriften ;-).
Nach kurzem Versorgungsstopp geht es per pedes wieder auf Gelsenkirchener Stadtgebiet zurück und zur Sportanlage der Vereine SSV FCA Rotthausen/ DJK TuS Rotthausen. Die Gründung des SSV FCA Rotthausen erfolgte schon 1912, der Verein spielte in den 30er Jahren erstklassig und den 1990er Jahren in der viertklassigen Oberliga Westfalen, der Verein blickt also auf eine lange Geschichte zurück. Die Sport-Anlage, die der Traditionsverein sich mit dem DJK TuS Rotthausen teilt, macht viel her, grüne Fußballrasenflächen, eine strahlend blau-weiße Tribüne und jede Menge „Greenkeeper“ bereiten hier alles für den Saisonstart vor, der nun hoffentlich ohne Corona-Störungen anlaufen kann!
Radeln, der Erfrischung halber
Bislang genieße ich die Tour sehr, Sven zeigt mir coole Trinkhallen und die Spielstätten regionaler und lokaler Fußballvereine und das ergibt insgesamt, eine hübsche und sehr stimmige Mischung. Da wir schon eine Zeit zu Fuß unterwegs sind, entschließen wir uns, aufs Rad umzusteigen und erradeln die weiteren Stationen. Natürlich haben wir bei den Temperaturen wieder Durst – von der Fahrradverleih-Station geht es also zunächst zur WAZ Trinkhalle – einer wunderschönen, freistehenden kleinen Trinkhalle mit hübscher Markise und einem großen Sortiment. Mir juckt es in den Fingern, aber selbst ein kühles Radler ist bei diesen Temperaturen schon zu viel – außerdem kommen wir dazu später 😉
Buden, Bolzplätze & Kunst
Unsere Tour führt uns durch Rotthausen Richtung Mechtenberg und in die Halfmann-Siedlung, hier liegt der Halfmann-Hof, ein Künstlerverein und die Sportanlage Halfmannshof, Heimstätte des DJK SW Gelsenkirchen Süd e.V. – die leider geschlossen war während unserer Tour.
Die hübsche Siedlung war dafür umso mehr eine Augenweide, als Teil des Kreativ.Quartiers Ückendorf mit seiner lebendigen vielschichtigen Szene rund um die Bochumer Straße mit ihren Kneipen, Bars, Ateliers und Galerien. Die Geschichte des Halfmannshofes reicht zurück bis ins Jahr 1931, damals – inspiriert vom Bauhaus – sollten Handwerk und Kunst zusammen gebracht werden. Nach einer Neuausrichtung und einem Teilumbau ab 2010 entwickelte sich der „neue“ Halfmannshof, ein Ort für Tradition, Zukunft und Vision, Analoges und Digitales, Wohnraum, Arbeitsraum und Freiraum. Der Hof bietet derzeit mit seinen Mietateliers und Multifunktionsräumen die Möglichkeit zum Wohnen und Arbeiten auf Zeit, für Meetings, Workshops, Projektarbeit und kreative Auszeiten. Eine Auszeit für uns bietet der nahgelegene Steh-Kiosk Bicak – eine willkommene Pausenstation.
Gut und gern den ganzen Tag könnt Ihr durch die Stadt wandern und Ihr werdet an unzähligen Kiosken, Buden und Trinkhallen vorbeikommen – also auf keinen Fall trocken fallen ;-).
Es geht idyllisch weiter Richtung Halde Rheinelbe (den Aufstieg sparen wir uns heute siehe Temperaturen) und fahren nur entlang. Ich selbst war aber schon diverse Male oben und kann einen Aufstieg allen empfehlen – ein wunderbarer Rundumblick und sogar das Lohrheidestadion in Bochum – Wattenscheid ist von oben zu sehen.
Noch mehr verlassene Orte
Wir radeln auf der Kray-Wanner-Bahn bis zum Schalker-Kiosk 04 in Gelsenkirchen Ückendorf, vorbei am Von-Wedelstedt-Park und der Gesamtschule Ückendorf (nebenan spielt der DJK Arminia Ückendorf ) – hier steht selbstverständlich wieder eine kleine Erfrischung auf dem Programm. Der Kiosk ist weithin als Schalker Kiosk erkennbar 😉 . Da kann der nahgelegene Supermarkt einfach nicht mithalten, für den kleinen Kauf und die kleine Erfrischung ist die Bude eben kultiger.
Nach kurzem Stopp radeln wir weiter bis zur Erzbahnbude, nicht ohne vorher einen Lost-Place-Abstecher zum „Alma Ring“ zu machen. Auf dem ehemaligen Gelände der Zeche Alma lassen sich die überwucherten Überreste des Motodroms Gelsenkirchen – dem Alma-Ring – erkennen.
Auf private Initiative einer Einzelperson wurde die Rennstrecke Ende der 1960er Jahre gebaut und fahren durfte alles Motorisierte, das über eine Bremse verfügte. Die sowohl bei Fahrern als auch Zuschauern beliebte Strecke wurde 1990 vermutlich wegen hoher Lärmbelästigung geschlossen und wird seitdem von der Natur zurückerobert – cool, das Sven mir dieses verborgene Schätzelein zeigen kann.
Final Countdown
An der Erzbahnbude läuft laute Musik nach meinem Geschmack und apropos Geschmack: Jetzt wird es allerhöchste Zeit für ein Radler – wenn auch heute ausnahmsweise mal alkoholfrei. Immer wieder schön hier und letztlich stelle ich spätestens hier immer wieder fest, wie grün und radelbar „mein Ruhrgebiet“ geworden ist.
Go-in-Area Gelsenkirchen-Ückendorf
Auf dem Rückweg schauen wir noch in Gelsenkirchen-Ückendorf vorbei, hier gibt es nämlich auch eine „Trinkhalle“ – wie in Bochum. Wer das Konzept nicht kennt: außergewöhnliche Biere und natürlich auch ein paar Klümpchen, Soleier & Co – aber eben auch Kulturveranstaltungen und Draußen-Sitz-Möglichkeiten, also eigentlich mehr eine Kneipe. Überhaupt: Ückendorf wird grad umgestaltet und wandelt sich von einer „No-Go“ in eine Go-in-Area ;-).
Ein richtig cooler Vintagestore mit Möbeln und Accessoires aus den 60er und 70ern, die Graffiti-Galerie von Beni Veltum, der Umbau der Heilig-Geist-Kirche in eine „Event-Kirche“ und das alles rund um den Wissenschaftspark, also direkt südlich der Gelsenkirchener Innenstadt machen Lust auf mehr.
Mein Fazit: Das Runde muss ins Eckige
Insgesamt eine runde Sache, unsere Tour – die viele Erfrischungsstationen lassen keinen Durst aufkommen und der Blick auf eine ganze Latte an Bolzplätzen machen Lust auf einen Saisonstart nicht nur in der ersten und zweiten Liga sowie eine weitere Buden-Tour, spätestens zum nächsten Tag der Trinkhallen!
Die Tour bei komoot: