In Zeiten von Netflix und Amazon Prime haben Kinos mit Verlusten zu kämpfen und auch ich gucke mir Filme gerne mal in den heimischen vier Wänden von der Couch aus an. Trotzdem: Kino bleibt einfach etwas anderes, etwas besonders. Alleine der Gang dorthin (oftmals mit Freunden), die Lautstärke des Tons, die eindrucksvolle Leinwand und der Kauf der obligatorischen Portion Nachos mit Käsedipp (Sorry liebe Popcorn-Fraktion, ich bin ganz klar Team-Nachos!) zelebriert das Erlebnis Film doch auf eine besondere Art und Weise. Aber Kinos gibt es viele und Kino ist nicht gleich Kino. Da gibt es einmal natürlich die gängigen Ketten, aber da die ja jeder kennt, möchte ich Euch hier die traditionellen und charmanten Kinos im Ruhrgebiet vorstellen.
Stars & Sternchen in der Lichtburg in Essen
Mitten in der Essener City – zwischen Schuhladen und Café – sieht man von der Lichtburg vorerst nur die senkrecht am hohen Gebäude verlaufende Leuchtreklame. Eingerahmt von einem pinken Lichtstreifen erkennt man dann auch den Eingangsbereich und es fällt einem als erstes der rote Teppich ins Auge. Ja, der liegt hier immer und gibt einem direkt ein VIP-Gefühl, wenn man über ihn schreitet. Und dieses Gefühl ist nicht unbegründet: Schon so mancher Promi ist über den roten Teppich der Lichtburg gelaufen und hat für Blitzlichtgewitter gesorgt.
Premierenfieber auf dem roten Teppich
In der Lichtburg finden nämlich regelmäßig Filmpremieren statt und das bereits seit den 50er Jahren. Romy Schneider kam mehrfach nach Essen, um ihre Filme vorzustellen und in den 70er Jahren sah man Bud Spencer und Terence Hill dort. Viele deutsche Filme, wie „Lola rennt“ in den 90ern feierten in der Lichtburg Premiere. Filmemacher und Schauspieler wie Otto Waalkes und Harpe Kerkeling besuchten Essen wegen ihren Filmpremieren in der Lichtburg und begeisterten die wartenden Fans. Aber auch Hollywood Stars wie Helena Bonham Carter, die (Achtung, hier folgen für den Artikel irrelevante Celebrity Facts) zwei Kinder mit Tim Burton hat, dessen Patenonkel kein geringerer als Johnny Depp ist, liefen bereits über den roten Teppich der Lichtburg.
Wer also immer schon mal ein Selfie mit Florian David Fitz oder Matthias Schweighöfer haben wollte, hat dazu bei einer Premiere in der Lichtburg gute Chancen. Meine private Fotosammlung schmückt übrigens ein Bild von Charlotte Roche und mir, natürlich ebenfalls von einer Premiere in der Essener Lichtburg.
Prachtstück deutscher Kinoarchitektur
Kein Wunder jedenfalls, dass in der Lichtburg so viele Filmpremieren stattfinden, wenn man sich das stilvolle Ambiente anschaut. Die Lichtburg ist ein Prachtstück deutscher Kinoarchitektur (zurecht denkmalgeschützt) und bereits am Eingang funkelt es nur so in Gold. Im Inneren erwartet Euch der größte Kinosaal Deutschlands mit den typischen roten Samtsitzen, welche sich neben dem Parkett auch auf der Empore wiederfinden. Dieser Saal erinnert eher an einen Theatersaal, was auch gar nicht so falsch ist, denn auch Theateraufführungen finden hier statt.
„Kinostadt Essen“
Neben der Lichtburg gibt es in Essen aber auch noch weitere, sehenswerte Kinos. Eigentlich kann man Essen fast schon als Stadt der traditionellen Kinos bezeichnen, denn davon gibt es in Essen ganze fünf Stück. Ich würde den Artikel sprengen, wenn ich über alle schreiben würde, aber zumindest zwei möchte ich kurz erwähnen.
Ebenfalls unter Denkmalschutz steht das Eulenspiegel Filmtheater. Dieses Kino möchte ich Euch aber nicht nur wegen seiner liebevoll gepflegten 50er Jahre Einrichtung ans Herz legen, sondern hauptsächlich wegen der Besonderheit des kleinen Kinomuseums und beliebten Cafés. Den dort zu erhaltenen Apfelstrudel mit Eis darf man sogar mit in den Kinosaal nehmen, wie toll ist das denn?! Und wer sich in eine frühere Zeit zurückversetzen lassen möchte, besucht eine Stummfilmvorstellung, die von einer Orgel begleitet wird.
Dann sei noch die Galerie Cinema im angesagten Essener Stadtteil Rüttenscheid erwähnt, die nämlich das kleinste Kino im Ruhrgebiet, mit niedlichen 45 Sitzplätzen, ist. Vor dem unscheinbaren Gebäude mit dem großen Namensschriftzug geht es ein paar Stufen nach unten zur Eingangstür und nach Betreten befindet man sich direkt im Vorführsaal. Solch ein Kino gibt es sicher nicht in jeder Stadt.
Ach und zu guter Letzt noch der Hinweis auf das Filmstudio Glückauf, welches während des Zweiten Weltkriegs teilweise zerstört und durch Spenden wiedererrichtet wurde. Rebecca war dort und zeigt Euch hier, wie es dort heute aussieht.
Das älteste Kino im Ruhrgebiet: Die Schauburg in Dortmund
Ich befinde mich mitten in Dortmund, schaue auf das Gebäude, in dem die Schauburg ist und kann es eigentlich kaum glauben. Die Schauburg gibt es nämlich seit mehr als einhundert Jahren, um genau zu sein seit 1912. Somit darf sie sich stolz das älteste Kino im Ruhrgebiet nennen. Natürlich gab es für die Schauburg in all den Jahren Höhen, aber auch Tiefen, denn im Jahr 1944 wurde das Gebäude bei einem Luftangriff fast völlig zerstört. Es folgte jedoch der schnellstmögliche Wiederaufbau und die Schauburg nahm bereits ein Jahr darauf wieder provisorisch den Betrieb auf.
Einrichtung mit Nostalgie-Faktor
Zwei Säle befinden sich im Inneren der Schauburg, die quasi übereinander liegen. Aber vorerst gelangt man in das Foyer mit hohen Decken. Steht man vor der Kasse, die zugleich der Verpflegungsshop ist, erinnert einen der Anblick etwas an einen „Tante-Emma-Laden“ und es ist eben genau das, was die hier beschriebenen Kinos von dem Mainstream der Kino-Ketten abhebt und zu etwas Besonderem macht. Im Regal gibt es alles, was das süße Herz begehrt und auch die Kehle bleibt nicht trocken, jedoch wirkt hier alles etwas persönlicher und intimer.
Direkt neben der Kasse blickt man auf eine lange Treppe, die zum oberen Saal führt und auf der man Filmplakate aus vergangenen Zeiten bewundern kann. Der zweite Saal ist über einen Gang neben der Treppe erreichbar. Ich darf in den Projektorraum schauen und gebe Euch von dort aus einen Blick in den Kinosaal.
„Tatort“-Casting und Kinoplakat-Flohmarkt
Gezeigt wird hier eine Mischung aus Mainstream-Filmen, die in Deutsch synchronisiert wurden, aber auch Originalfassungen, sowie Dokumentationen und speziellen Themenfilmen. Im Jahr 2013 fand in der Schauburg übrigens das „Tatort“-Casting statt und es waren über 2.000 Gäste vor Ort. Keine Frage, dass die Premiere dieses Tatorts natürlich ebenfalls in der Schauburg stattfand und die drei Vorstellungen ausverkauft waren.
Ein Highlight für Filmfreunde und Sammler ist noch, dass in der Schauburg jeden ersten Samstag im Monat ein Kinoplakat-Flohmarkt veranstaltet wird. Dort können Fans von 11-13 Uhr ausgewählte Plakate, Aufsteller (wie geil!) und Banner für kleines Geld erwerben, welches im Anschluss für einen guten Zweck gespendet wird. Wie wär’s also mit einem lebensgroßen Schauspieler im Wohnzimmer? 😉
Ich bleibe in Dortmund und komme zum nächsten Kino, das etwas anders als die bisherigen Kinos ist.
Das sweetSixteen Kino im Dortmunder Depot
Beim sweetSixteen ist alles besonders. Angefangen von den Betreibern, bestehend aus einer kleinen Gruppe von Filmenthusiasten, die das jüngste freie Kino Dortmunds unabhängig und eigenverantwortlich als gemeinnütziger Verein führen. Weiter geht’s bei der Location, die das Industriekulturherz höherschlagen lässt: das Depot in Dortmund, früher Straßenbahnwerkstatt, heute Kulturort und Treff für Kreative. Ronja hat dort z.B. einen Handlettering-Kurs gemacht.
Betritt man das Depot, befindet man sich in einer großen Industriehalle und blickt auf eine alte Straßenbahn. Und genau neben dieser Straßenbahn befindet sich der Eingang zum sweetSixteen. Die großen KINO-Buchstaben prangern an einem (natürlich) Stahlpfeiler und es empfangen einen bereits vor dem Eingang bequeme Kinosessel. Auch das Foyer ist ganz anders, als man es aus anderen Kinos kennt und erneut spiegelt sich hier die Industriehalle wider: Riesig hohe Decken über zwei Stockwerke hinaus mit einem Dach aus Fenstern, wodurch das Foyer lichtdurchflutet wird. Das habe ich bisher noch in keinem Kino so gesehen. Gemütliche und alte Kinodekoration lassen dann aber doch noch Kinoatmosphäre aufsteigen. Der Saal des sweetSixteen-Kinos hat auch wieder etwas Besonderes, nämlich gibt es vor den Sitzreihen mit den 100 Plätzen auf der einen Seite ein altes Klavier und auf der anderen Seite eine kleine Sitzecke im Saal, bestehend aus einem Tischchen, drei Stühlen und einer gedimmten Stehlampe.
16mm-Schmalfilme und KiWaKi
Und selbst jetzt ist noch nicht Schluss mit den Besonderheiten. Neben einem 16mm-Filmclubabend, bei dem das Publikum auf Zuruf aus einem schier unendlichen Filmarchiv aussuchen kann, veranstaltet das sweetSixteen einmal im Monat das (in NRW übrigens einmalige) KiWaKi. Na, kommt jemand drauf, wofür diese Abkürzung stehen könnte? Das KinderWagenKino. Für frisch gebackene Eltern rückt ein Kinobesuch erstmal in weite Ferne, wenn man keine Babysitter oder kümmernde Familienmitglieder hat. Dem hat das sweetSixteen ein Ende bereitet und kein Besucher wird sich über ein schreiendes Baby beschweren, denn beim KiWaKi sind alle Besucher Mamas und Papas mit ihren Babys (bis 12 Monate). An diesen Tagen sind Familien eingeladen, sich in gemütlicher und babygerechter Atmosphäre aktuelle Filme aus dem sweetSixteen Programm anzuschauen. Das Kino grenzt sich bei diesen Vorstellungen von allen anderen ab: Die Kinderwagen können im Saal geparkt werden, der Film läuft in verminderter Lautstärke und der Saal ist leicht beleuchtet. Eltern können sich mit ihren Babys und Gleichgesinnten auf die große Krabbeldecke auf dem Boden setzen und den Film schauen, den sie sich vorher selbst ausgesucht haben. Wickeltisch und Kuscheltiere sind selbstverständlich ebenfalls im Saal vorhanden. Das sweetSixteen ist einfach das etwas andere Kino.
Mitten im Szeneviertel Bermuda3eck in Bochum: Das Casablanca
Hier findet man wohl eher selten frischgebackene Eltern, denn wir befinden uns nun in Bochums Freizeit- und Gastromeile, dem Bermuda3eck. Zwischen Bars und Restaurants hört plötzlich der Stuhl- und Tischbereich außen auf und man blickt auf eine Holzfassade umrandet von Kinoplakaten. Ich bin am Casablanca angelangt (ein besonderer Gruß an alle Leser, denen bei diesem Kinonamen ebenfalls das Filmzitat „Schau mir in die Augen, Kleines“ durch den Kopf geht).
Wirkt es von außen noch recht klein, wird man innen von einem recht großen, wenn auch langegezogenen Foyer erwartet. Irgendwie erinnert mich dieses Foyer ein bisschen an ein American Diner. Jedenfalls ist hier alles im Stil der 50er Jahre und mir gefällt es wahnsinnig gut. Bunt und doch stilvoll mit gemütlichen Sitzgelegenheiten.
Die drei Säle erreicht Ihr zum Teil über eine alte Wendeltreppe und jeder Saal hat seinen eigenen Charme, vielleicht auch, weil es sich hier eher um kleinere Säle handelt. Zum Programm zählen Erstaufführungen und besondere Filmreihen, aber auch große und bekannte Filme.
An jedem letzten Sonntag im Monat gibt es im Casablanca übrigens das Kino-Frühstück. Für 15,50 € bekommt man dann einen besonderen Film in der Vorpremiere und ein Frühstück inklusive Filterkaffee-Flatrate (ich sag’s doch: American Diner!). Los geht’s um 10 Uhr mit dem Frühstück und der Film beginnt dann gegen 11 Uhr. Ich finde, ein Sonntag könnte schlimmer starten. Direkt gegenüber wartet auch schon das nächste Kino…
Ein Kino im ersten (Auto)Hochhaus Bochums: Das Union Filmtheater
Das Gebäude, in dem sich das Union Kino befindet, wurde 1925 von Friedrich Oscar Lueg gebaut und war das erste Hochhaus in Bochum. Ruhrgebietlern und Autofans wird der Nachname des Bauherrn direkt etwas sagen. Es handelt sich hierbei um den Autohändler Lueg (übrigens Luhg gesprochen, nicht Lühg), der heute hauptsächlich Mercedes verkauft und in vielen Ruhrgebietsstädten vertreten ist. Auch dieses Gebäude wurde im Krieg zerstört, doch die Fassade blieb halbwegs erhalten, sodass in 1950 die Union-Bühne eröffnet werden konnte.
Weibliche Orientierungslosigkeit im Schachtelkino
Erst in den 80er Jahren wurde das Haus in ein sogenanntes Schachtelkino nach amerikanischem Vorbild umgebaut. Und das Wort Schachtelkino trifft es auch genau: Dieses Kino ist wirklich total verschachtelt. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich jemals in jedem Saal gewesen bin und muss jedes Mal aufs Neue überlegen: Wo muss ich jetzt eigentlich hin. Das Union hatte zwischenzeitlich ganze zehn Kinosäle und ich bin aufgrund meines schlechten Orientierungssinns etwas froh, dass es heute „nur“ noch sieben Säle sind. Die Sitze haben übrigens unterschiedliche Farben, je nach Saal. Eigentlich eine ziemlich unwichtige Information, aber ich überlege gerade, ob ich mir die Säle so vielleicht besser merken kann „ich muss zum grünen-Sitz Saal“ (wobei mich das immer noch nicht dorthin führt, Mist!). Ich schweife ab.
Im üppig großen Foyer befinden sich die Kassenschalter und direkt daneben geht’s zum Gastrobereich. Hier erwartet Euch natürlich (wir sind schließlich in Bochum) leckeres Fiege Bier. Und noch etwas sei zu erwähnen: Im Union sind sogar Hunde erlaubt! Einzige Voraussetzung: Sie dürfen nicht bellen oder beißen und müssen sauber sein. Das sollte auf die meisten Vierbeiner zutreffen und somit steht einem Kinobesuch mit Herrchen und Frauchen nichts entgegen.
Ruhrpott Kultfilm mit Fangemeinde: BANG BOOM BANG
Zum Abschluss noch ein Kino, was ich aufgrund der Tatsache nennen muss, dass dort seit sage und schreibe mehr als 1.000 Spielwochen der absolute Kultfilm „Bang Boom Bang – Ein totsicheres Ding“ gezeigt wird. Ein prolliger Ruhrpott-Klassiker, den man unbedingt gesehen haben muss. Nicht selten wird man im Ruhrgebiet mit „Bang Boom Bang“-Zitaten konfrontiert, denn die meisten Ruhrgebietler haben den Film mehr als einmal gesehen (bei mir erreicht die Anzahl sogar locker den zweistelligen Bereich). Wahrscheinlich frischen die ein oder anderen ihren Zitate-Wortschatz gelegentlich in der UCI-Kinowelt in Bochum auf, denn dort läuft der Film jeden Freitag und das seit dem Jahr 1999. Im Jahr 2019 fand hier also ein grandioses Jubiläum statt und die wirklich große Fangemeinde feierte 20 Jahre Bang Boom Bang. Mit dabei waren Darsteller (allen voran Ralf Richter), Requisiten (wie die original Fahrzeuge aus dem Film) und ein riesen Auflauf an Fans, die den Film in gleich acht Kinosälen schauten (und mitsprachen). Und wo fand das ganze statt? Natürlich im UCI Bochum!“