Schön, dass du wieder auf unserem Blog „Mein Ruhrgebiet“ vorbeischaust. Ein sehr vielfältiger und abwechslungsreicher Blog, wie ich meine. Aber warum liest du ihn eigentlich? Ich vermute, du bist auf der Suche nach lässigen Ausflugstipps, die dir – mal mehr, mal weniger Mainstream – das trendige, offene und überraschende Ruhrgebiet näherbringen. Und richtig: Gerne stellen wir die dazu passenden Orte, Geschichten und Personen „ins Schaufenster“.
Ich habe heute kein Schaufenster für dich
Heute möchte ich dich aber ausnahmsweise nicht zu einer dieser Schaufenster-Storys einladen. Stattdessen begeben wir uns in eine ehemalige No-Go-Area in einer von Vorurteilen geplagten Stadt. Eine Stadt, die in der Deutschland-Studie des ZDF (die für sich beansprucht, eine Antwort auf die Frage zu liefern „Wo lebt es sich am besten“) gerne auf dem letzten von 401 Plätzen landet und in der man damit augenzwinkernd unter dem Hashtag #401 kokettiert. Willkommen in Gelsenkirchen! Genauer: In Gelsenkirchen-Ückendorf. Willkommen auf der dunklen Seite des Ruhrgebiets… Als waschechter Gelsenkirchener darf ich mir diese Ironie erlauben. 😉 Ich habe den überwiegenden Teil meines Lebens hier verbracht und bin echt stolz darauf, ein Ückendorfer zu sein. Rund um die Bochumer-Straße, ein Straßenzug, der in Nachrichtensendungen des schon erwähnten ZDF immer mal wieder kulissenhaft inszeniert wird, wenn es um abgehängte Problemviertel geht, entsteht seit einigen Jahren das Kreativquartier Ückendorf. Und eben weil dieses Kreativquartier direkt vor meiner Haustür liegt, will ich dir gerne zeigen, welch spannender Wandel sich in meiner „Hood“ vollzieht
Kunstorte im Kreativquartier Ückendorf
Zunächst einmal hat dieses Kreativquartier sehr viel mit Kunst zu tun. Und wenn in Ückendorf von Kunst und Kultur die Rede ist, kommt man an der Künstlersiedlung Halfmannshof nicht vorbei.
Künstlersiedlung Halfmannshof
Diese seit gut 90 Jahren bestehende Institution liegt etwas abseits der Bochumer Straße. Für mich ist sie aber ein schöner Auftakt, um mich langsam ans Kreativquartier heranzutasten. Mit dem Fahrrad ist der Halfmannshof als Abstecher von der Kray-Wanner-Bahn gut zu erreichen. Versteckt am Rande eines ruhigen Wohngebietes gelegen, zeigt sich die Anlage als grüne Oase und verströmt eine idyllische Beschaulichkeit. Während ich zunächst – leicht orientierungslos – das Gelände sondiere, werde ich von einer freundlichen Dame, die sich als Gabi Rottes vorstellt, angesprochen. Gabi ist – wie ich erfreut feststelle – eine der in der Siedlung lebenden Künstlerinnen und zeigt sich spontan bereit, mich ein wenig herumzuführen. Da am vergangenen Wochenende das „Tür-Auf-Festival“ stattgefunden hat, in dessen Rahmen viele Künstler im Kreativquartier Ückendorf ihre Ateliers öffnen und ihre Werke ausstellen, hat unser Rundgang über den Halfmannshof durchaus Ausstellungscharakter.
„Das Harvard der Buchbinderei“
Im Buchbinder-Atelier von Dietmar und Regina Klein kann ich dann sogar live bei der Arbeit zuschauen und ein wenig mit den Künstler:innen plaudern. Ich bin sehr angetan von der Offenheit, mit der man meinem spontanen und unangemeldeten Besuch begegnet. Mein Tipp: Suche dir entweder eine der Veranstaltungen im Kreativquartier Ückendorf aus, in der die Galerien und Ateliers ohnehin geöffnet sind, oder melde dich vorab einfach bei den Künstler:innen an. So vermeidest Du die Enttäuschung, dass du vor verschlossenen Türen stehst.
Ein Auszug von (regelmäßigen) Veranstaltungen im Kreativquartier Ückendorf:
- szeniale – festival der freien künste (www.szeniale.ruhr)
- Tür Auf – Offene Ateliers und Galerien (www.galeriemeile-gelsenkirchen.de)
- Frühlingserwachen (www.gelsenkirchen.de)
- Places – Virtual Reality Festival (www.places-festival.de)
Funfact zu meinem Besuch im Halfmannshof: Im Roman „Shakespeares Labyrinth“ des US-amerikanischen Schriftstellers Michael Gruber wird das Atelier der Kleins als das Harvard der Buchbinderei bezeichnet. Den Ruf muss man sich erst einmal erarbeiten!
Skulpturenwald Rheinelbe
Nach einem abschließenden Plausch mit Gabi geht es für mich mit dem Fahrrad weiter in Richtung der Bochumer Straße. Vorbei an der Kunststation Rheinelbe der Künstlerin Marion Mauß, die ich leider nicht antreffe (siehe mein Tipp oben), gelange ich in den Skulpturenwald Rheinelbe am Fuße der gleichnamigen Halde.
Der Skulpturenwald entstand im Rahmen der IBA Emscherpark und beheimatet nicht nur Kunstwerke (unter anderem des Recklinghäuser Künstlers Herman Prigann), sondern bildet mit den verblieben Gebäuderesten und Mauern der ehemaligen Zeche Rheinelbe und der sich zum größten Teil selbst überlassenen Natur eine ungewöhnliche Symbiose. Der Skulpturenwald ist gleichzeitig ein ausgewiesener Industriewald, in dem man der postindustriellen Natur bewusst Raum lässt und der sich zu einem Paradies der Artenvielfalt entwickelt hat.
Fotospot auf dem Weg
Wenn ich beim Halfmannshof schon von einer grünen Oase gesprochen habe, so ist der Skulpturenwald in weiten Teilen ein richtiger Dschungel. Auf wenig frequentierten Wegen sowie vielen kleinen und verwunschenen Pfaden kann man dieses Naturparadies genießen. Das tun auch die Kinder des nahe gelegenen Waldkindergartens. Ihr fröhliches Geschrei erinnert mich daran, dass ich weiter muss, denn ich bin mit dem Maler Christoph Lammert verabredet. (In der Tat habe ich mich in diesem Fall vorab telefonisch angekündigt.) Auf dem Weg zu Christoph Atelier komme ich am Wissenschaftspark vorbei, der ebenfalls ein Projekt der IBA Emscherpark war. Ein schneller Fotostop ist noch drin.
Schnack mit dem Maler Christoph Lammert
Während Christoph mich begrüßt, frage ich mich, wann ich zum letzten Mal im Atelier eines Malers war? War ich überhaupt schon…? Der Raum gefällt mir auf Anhieb. Liegt es an der Vielzahl der farbenfrohen Bilder (oder sagt man Gemälde?), an der Dimension des Ateliers oder an der familiären Atmosphäre? Wahrscheinlich von allem etwas: Farbenfroh deshalb, weil Christophs (meist großformatige und) phantasievolle Kunst einen intensiven Farbenreichtum versprüht. Ich finde die Bilder sehr ansprechend und inspirierend. Was ich hier laienhaft zum Ausdruck bringe, klingt beim Kunst-Experten übrigens so: „In kraftvoller, mitunter ausgesprochen pastoser Farbgebung, die der Bildoberfläche eine geradezu reliefartige Haptik verleiht, werden landschaftsähnliche Sujets inszeniert.“ (Zitat: Dr. Bernd A. Gülker)
Dimension des Ateliers deshalb, weil es sich im ehemaligen Gemeindesaal der Heilig-Kreuz-Kirche befindet (ich komme später noch auf die Kirche zu sprechen) und die 6 Meter Höhe und die unterschiedlichen Ebenen des Ateliers einen tollen Freiraum bilden.
„Das sind doch nur die Bilder vom Christoph.“
Familiäre Atmosphäre deshalb, weil das Atelier Teil einer speziellen WG ist. Im ehemaligen Gemeindesaal und dem angrenzenden Kindergarten hat sich eine generationenübergreifende, solidarische und nachhaltig orientierte Wohngenossenschaft aus kreativen Menschen eingerichtet. So kann es dann schon mal sein, dass Christoph während seiner Arbeit Gesellschaft von den jüngsten, gerade den Windeln entwachsenen Mitgliedern der Wohnkumpane erhält, die auf den großmütterlichen Hinweis, ob der in der Entstehung befindlichen Kunst doch bitte Vorsicht walten zu lassen, trocken antworten: „Kunst? Das sind doch nur die Bilder vom Christoph.“ Ich stelle mir dieses Zusammenleben sehr befriedigend vor. Im Gespräch mit Christoph und seiner Frau Hiltrud wird mir bewusst, dass der Wandel im Kreativquartier nur mit engagierten und mutigen Menschen gelingen wird. Ob nun Kunstschaffende, Kreative, Wohnkumpane, Startupper oder Gründer, ob ehrenamtlich, freiberuflich oder hauptberuflich: Ihr Willen zur Veränderung und ihre Leidenschaft sind der Motor der Quartiersentwicklung.
Soziale Orte im Kreativquartier
Nachdem mein Vormittag der Kunst gewidmet war, möchte ich mich am Nachmittag davon überzeugen, dass die Quartiersentwicklung nicht nur eine künstlerische, sondern insbesondere auch eine soziale Dimension hat. Daher zieht es mich nun endlich auf die Bochumer Straße und ich stelle fest, dass mir mit dem Blick eines Bloggers Aspekte und Motive ins Auge fallen, die ich bisher – wenn ich in meinem Alltag die Bochumer Straße passiere – nur am Rande wahrgenommen habe. Und ja: Hier tut Wandel dringend Not!
c/o – Raum für Kooperation
Glücklicherweise sind Schrottimmobilien und heruntergekommene Fassaden inzwischen stark rückläufig und es fallen mehr und mehr Geschäfte, Läden und Einrichtungen ins Auge, die für die „neue“ Bochumer Straße stehen. So zum Beispiel auch der „c/o – Raum für Kooperation“. Das c/o-Team ist in vielerlei Funktionen in die Entwicklung des Kreativquartiers eingebunden, sei es als Marketing-Experten, als Veranstalter, als Treffpunkt oder in Form der ursprünglichen Geschäftsidee als Co-Working-Space. Wichtig für den geneigten Besucher des Kreativquartiers: Hier gibt es kostenfreies Leitungswasser. Das ist an diesem warmen Tag ganz in meinem Sinne.
Wer allerdings weniger auf Leitungswasser als auf echt italienische Kaffee-Spezialitäten steht…: Mir wurde von nahezu allen Gesprächspartner des Tages das von außen recht unscheinbare Cafe Luigi empfohlen. Überprüfen konnte ich die Empfehlung allerdings nicht, denn Kaffee trinke ich ungefähr so häufig und so gerne wie frisch aufgebrühten Prosecco.
„Tausche Bildung gegen Wohnen“
Meinen Besuchsreigen der sozialen Orte im Kreativquartier beginne ich bei der Initiative „Tausche Bildung gegen Wohnen“. Hier engagieren sich junge Erwachsene (häufig Student:innen oder FSJler) als Bildungspaten in der Hausaufgaben- oder der Nachhilfe von mehr als 60 Kindern; häufig aus benachteiligten Familien. Im Gegenzug können die Bildungspaten am Standort zur freien oder reduzierten Miete wohnen. Der Lernort in Ückendorf – auch Tauschbar genannt – befindet sich in einer Erdgeschosswohnung, die über mehrere Lernzimmer, aber auch ein gemütliches Ankommzimmer und eine gemeinsame Küche verfügt. In der Etage darüber befindet sich die WG der Bildungspaten.
Vorbei an Sportbude und Ücky
Weiter geht es vorbei an der Sportbude Ückendorf, einer ehemaligen Lagerhalle, in der nun ein vielfältiges Sport- und Bewegungsangebot mit gleichzeitiger sozialer Integration für und von Einrichtungen und Vereinen im Quartier gemacht wird, und vorbei am Ücky, einem offenen Freizeit- und Jugendtreff.
Hier Ist Nicht Da
Im HIND (kurz für: Hier Ist Nicht Da), dem frisch eröffneten soziokulturellen Zentrum an der Bochumer Straße läuft freitags und samstags ab 18.00 Uhr ein Kneipenbetrieb, die HIND BAR. Ausgeschenkt wird dabei Bier aus Gelsenkirchen: GE-Söff und GE-Bräu. Ein Highlight ist sicher auch der schöne Hinterhof, der als Terrasse bzw. Biergarten genutzt wird. Das HIND will aber nicht nur Kneipe und Veranstaltungslocation sein (zahlreiche Konzerte, Ausstellungen, Partys und Events sind schon terminiert; so beispielsweise eine mehrtägige Pop-Up Weinbar), sondern dem Anspruch eines Soziokulturzentrums gerecht werden.
Es will Treffpunkt für die Menschen im Quartier sein und den interkulturellen und generationsübergreifenden Austausch und die Gemeinschaft fördern. Dabei sollen die Angebote im HIND ganz wesentlich von und für die Menschen vor Ort gemacht werden. Du fragst dich sicher, warum dieses Baby einen so ungewöhnlichen Namen trägt. Vor etlichen Jahren hat der niederländische Künstler Rick van de Dood ein Kunstwerk mit dem Namen „Da Ist Nicht Hier“ auf der Bochumer Straße installiert. Dieses Kunstwerk hat die Macher das HIND inspiriert.
Erlebnisorte im Kreativquartier
Nachdem ich die künstlerische und soziale Dimension des Kreativquartiers erkundet habe, sind der ausklingende Nachmittag und der Abend den Erlebnisorten vorbehalten. Zuerst gehe ich shoppen und starte in Tom’s Corner.
Tom´s Corner
Tom ist ein echtes Original. Von sich selbst sagt er, er sei Weltbürger und Ruhrpott-Schnauze. Das würde ich so bestätigen. Außerdem ist er Disk Jockey und Plattenfreund. Daher gibt es in seinem Antiquitäten- und Vintage-Laden auch eine gut sortierte Vinyl-Ecke. Allerdings ist der Laden nach Toms Aussage einfach zu klein, so dass er nur einen Bruchteil des vorhandenen Plattenangebotes ausstellen und anbieten kann. Das Ladenlokal ist eine wilde Mischung aus Kuriositätenkabinett, Retro-Möbelhaus und Second-Hand-Shop. Wenn Du Freude am Stöbern sowie an Raritäten und Antiquitäten hat, kommst Du hier voll auf deine Kosten. Tom ist mit seinem Laden von Bochum-Langendreer nach Ückendorf gezogen, weil er hier im Stadtteil echtes Potential sieht. Er sagt aber auch ganz ehrlich, dass derzeit noch Luft nach oben ist. Der Wandel hat halt erst begonnen.
1Null7 – Das Zuhause
Einhundert Meter weiter wartet mit dem 1NULL7 – Das Zuhause der nächste coole Showroom auf mich. Habe ich gedacht…: Leider ist geschlossen. Und wieder einmal gilt: Mach dich mit den Öffnungszeiten vertraut oder melde dich vorher an. Das 1NULL7 hat sich durch Upcycling-Produkte – vorwiegend aus Skateboards – einen Namen gemacht. Mike Rokitta peppelt die alten Boards auf und macht daraus Kunst und Gebrauchsgegenstände wie Möbel, Lampen und diverse kleine Haushaltshelfer. Inzwischen gibt es im 1NULL7 aber weit mehr als Upcycling-Artikel zu bewundern: Mehrere Künstler:innen aus dem Kreativquartier Ückendorf teilen sich den Showroom und so gibt es Klamotten, Bilder (schon mal was von Poscapainting gehört?), Dekokram, Kunst und vieles mehr. Außerdem werden regelmäßig Workshops angeboten (z.B. Yoga oder Skateboardupcycling). Also ein weiterer spannender Ort im Kreativquartier Ückendorf. Und weil ich die Selbstdarstellung des 1NULL7 so treffend finde, möchte ich sie dir nicht vorenthalten: „Das Zuhause für Kreative und Verrückte. Shop und Galerie für Ausgefallenes und Einzigartiges. Platz der Zufriedenheit.“
Virtuell Zocken im VRoom
Jetzt wird gezockt. Eigentlich bin ich kein Gamer und kann mich eher wenig für Videospiele begeistern, aber die Verlockungen des VRoom, in virtuelle Welten abzutauchen, reizen mich dann doch. Die beiden Gelsenkirchener Brüder Patrick und Florian Becker sind – anders als ich – große Gaming-Fans und haben sich mit ihrem Start-Up einen Traum erfüllt.
Der VRoom bietet mehrere Spielfelder (soll heißen ein jeweils eigenes Zimmer mit der entsprechenden VR-Technik), wo du dich – bestenfalls nach vorheriger Online-Anmeldung – mit deinen Freunden austoben kannst. Optimal sind Gruppen von 2 bis 4 Spieler:innen, denn dann wird es nicht zu eng und jede:r kommt ausreichend zum Zug. Ich habe mich in den Rennsessel (der Experte sagt „Motion Seat“) geschmissen und habe einige Runden mit dem Sportwagen gedreht. Achtung Suchtfaktor! Der VRoom ist übrigens RUHR.TOPCARD-Partner, so dass Du gegebenenfalls zum halben Preis zocken kannst. Und das ganz besondere Highlight: In der Regel gibt es vor Ort selbstgebackenen Kuchen von Patricks und Florians Mama. Ganz in echt! Nicht virtuell!
Abendgestaltung im Kreativquartier
Mit dem Wissen, dass ich den heutigen Tag im Kreativquartier Ückendorf unterwegs sein werde und den Abend auch dort beschließen möchte, habe ich im Freundeskreis getrommelt und gefragt, wer Lust auf ein gemeinsames Feierabend-Bierchen hätte.
Die Trinkhalle am Flöz
Da das gastronomische Angebot entlang der Bochumer Straße derzeit noch überschaubar ist, treffen wir uns in der Trinkhalle am Flöz: Eine kleine, aber feine Kneipe für Bierkenner und gleichermaßen für Bierfreunde. In unaufgeregtem, aber gemütlichem Ambiente kann man aus einem unglaublichen Sortiment sowohl regionaler als auch internationaler Flaschenbiere auswählen. Spannend, überraschend und vor allem lecker. Die Trinkhalle am Flöz ist übrigens eine Dependance der Trinkhalle im Kortländer Kiez in Bochum. Geöffnet ist sie von mittwochs bis samstags. Bei passendem Wetter kann man auch draußen sitzen und das Quartiersleben beobachten; mit Blick auf den Gemeinschaftsgarten an der Bochumer Straße.
„Die sind da wat am planen dran“
Noch im Mai werden übrigens weitere Gastgeber an der Bochumer Straße ihre Türen öffnen und das gastronomische Angebot erweitern. Im Haus Reichstein, einem Gründerzeithaus mit 120-jähriger Geschichte (zunächst als Stehbierhalle und später jahrzehntelang als Kneipe), wird zukünftig das Cafe Ütelier zu finden sein. Außerdem eröffnet mit Djammeh Juices eine Saft- und Cocktailbar.
Ein Abend im Flagschiff des Kreativquartiers
Du solltest deinen Ausflug nach Ückendorf so planen, dass du am Abend eine Veranstaltung im neuen Flaggschiff der Kreativquartiers, der ehemaligen Heilig-Kreuz-Kirche besuchen kannst. Die Kirche wurde in den vergangenen Jahren zu einer multifunktionalen Veranstaltungs-Location umgebaut, wobei sowohl die ungewöhnliche Architektur als auch die Farbgestaltung erhalten blieben. Die Heilig-Kreuz-Kirche, die inzwischen auch Teil der Route Industriekultur ist (Themenroute Sakralbauten), liegt versteckt zwischen mehrgeschossigen Wohngebäuden und gilt als absolutes Highlight des Backstein-Impressionismus im Ruhrgebiet.
Schon in den 80er-Jahren – ich war damals als Messdiener im Einsatz – hat mich das Innenleben der Kirche insoweit fasziniert, als dass es nicht den typischen Eindruck einer Kirche erweckte. Damals hätte ich zwar nicht sagen können, dass das parabelförmige Tonnengewölbe für diesen Eindruck verantwortlich war, aber ich verspreche dir, dass alleine die Architektur der fast 100-jährigen Kirche den Besuch wert ist. Da die Location nun von der erfahrenen emschertainment GmbH bespielt wird, sollte sich doch eine passende Veranstaltung finden, in dessen Rahmen dein Besuch doppelt Sinn macht.
Tagesabschluss mit Haldenliebe
Aber zurück zum Tagesausklang: Mein ganz persönlicher Lieblingsplatz für das finale Bier des Tages liegt nicht an der Bochumer Straße, sondern einige Etagen darüber. Was wäre ein Trip im Ruhrgebiet ohne den obligatorischen Haldenbesuch… Also ist das letzte Bier in der Trinkhalle am Flöz eines zum Mitnehmen.
Und dann geht es mit dem Fahrrad zurück in Richtung Skulpturenwald und hoch auf die Halde Rheinelbe mit ihrer Himmelstreppe. Leider ist uns Dank eines Wolkenbandes am Horizont kein Sonnenuntergang vergönnt, aber auch so ist der Absacker auf der menschenleeren Halde ein Genuss: Tolle Fernsicht, milde Temperaturen, magisches Licht und nette Gesellschaft lassen mich den Tag Revue passieren.
Fazit zu meinem Tag im Kreativquartier Ückendorf
In Ückendorf ist etwas in Bewegung. Ein unbestreitbar schwieriges Viertel entwickelt sich dank der Aktivitäten, Ansiedlungen und Ambitionen rund um das Kreativquartier in eine vielversprechende Richtung. Sicher entsteht hier kein zweites Kreuzberg oder Neukölln, aber es sollte auch gar nicht das Ziel sein, eine schlecht gemachte Kopie von irgendetwas zu werden, wenn man sich doch – obwohl in (deutlich) kleinerem Maßstab – mit den eigenen Stärken und Macken profilieren kann. Und einen Vorbild-Charakter für vergleichbare Stadtteile und -viertel in unserer Region kann man dem Kreativquartier Ückendorf schon jetzt in mancherlei Hinsicht attestieren.
Sicher sollte nicht verschwiegen werden, dass sich einige der Probleme, die es früher rund um die Bochumer Straße gab, einfach innerhalb des Stadtteils verlagern. Und es ist offensichtlich, dass das Kreativquartier Ückendorf mit den üblichen Herausforderungen eines Gentrifizierungsprozesses zu kämpfen haben wird. Dennoch lohnt sich schon heute (oder besser formuliert „gerade heute“) ein Trip an die Bochumer Straße. Wer sich nicht daran stört, dass die eine oder andere Immobilie reichlich „abgeranzt“ aussieht und es selbstverständlich noch manch unschöne Ecke gibt, und wer offen auf die engagierten Menschen im Stadtteil zugeht, der kann hier einige richtig schöne und abwechslungsreiche Stunden erleben. Denn irgendwie ist das Kreativquartier Ückendorf dann doch ein echtes Schaufenster-Produkt! Sicher nicht so aufgeräumt und durchgestyled wie bei einer Boutique oder einem Designerladen, aber wenn du dich dafür interessieren würdest, dann hieße dein Lieblingsblog ja auch nicht „Mein Ruhrgebiet“, sondern eher „Mein Düsseldorf“.
Als „Local“ werde ich die Entwicklung des Kreativquartiers selbstverständlich weiter verfolgen. Und wer weiß: Vielleicht lohnt in 2-3 Jahren der nächste Blogartikel, weil die Menschen hier vor Ort auch zukünftig fleißig Gas geben. In diesem Sinne: Viel Spaß, gutes Gelingen und Glück Auf Ückendorf!
Mit Beginn meines Rentner Lebens bin ich nach Ückendorf gezogen. Direkt hinter der Heilig Kreuz Kirche, gegenüber von den Heidelbürgern , ist jetzt seit drei Jahren mein Zuhause. Ich bin hergezogen weil mich die Entwicklung des Quatiers interessiert hat. Wenn man sich beteiligt und interessiert ist es ungeheuer spannend und aufregend hier zu wohnen.
Hallo Petra,
da bin ich ganz bei Dir: Die Entwicklung rund um die Bochumer Straße ist unverändert spannend! Es hat sich schon wieder so viel getan seitdem mein Blogartikel vor 2 Jahren erschienen ist.
VG Christoph
Gentrification at its best.
Ja christoph.da hab ich deinem Beitrag gelesen..ziemlich kleine schrift.snstrengend zu lesen .nun bin ich auch schon 78 HIIND,früher Stollmann,noch früher Gasthof zu Post gross geworden.toll was daraus geworden ist.mein Großvater August Büsing hat die Häuser 136/138 um 1909 gekauft.zusatzlich das Haus im Busche 58.dort hatten wir eine Bäckerei.jetzt wohnen in diesem Haus drei Generationen. Bochumer- und Ückendorfer Str. waren zu meiner Kinderzeit blühende Geschäftsstraßeni im hl.kreuz Saal war früher“ schwof.“dort habe ich meinen Mann kennen gelernt. Gerne erzähle ich dir noch mehr über das schöne ückendorf.
Leider ist die Werbung für dieses tolle neue Quartier gleich null.bis zum Busche,also jenseits von Bochumer und Ückendorfer erfährt man nichts.nicht alle sind bei FB oder inster. Vielleicht Mal auf einen Kaffe oder Bier
Herzliche Grüße aus der Nachbarschaft
Gisela Bienk
Hallo Gisela,
vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Gerne gebe ich unserem Online-Marketing Bescheid, dass die Schriftgröße unseres Blogs nicht für jede/n Leser/in komfortabel genug ist. Und ganz sicher komme ich auf dein Angebot zurück, bei einem Bierchen zu plaudern. Entweder bei einer der Festivitäten in Ückendorf oder ich komme mal bei Euch auf dem Hof vorbei 🙂
VG Christoph
Leider fehlt der Hinweis, was mit der Straße passiert, wenn die SEG-geschäftsfüherin sich dort verabschiedet – bzw. die Koordinatorin Helga Sander in Rente geht. Das wird nit mehr lange dauern.