Der Frühling ist endlich da und uns Radfahrende zieht es wieder mit voller Macht raus in die Natur, um vom Sattel aus die Welt zu erkunden. Der Kreis Wesel gehört dabei für mich persönlich noch stark in die Kategorie „Unentdecktes Land“. Anhand des ausgeschilderten Knotenpunktsystems habe ich mir daher eine schicke Tour zu den zahlreichen Hinterlassenschaften des Bergbaus auf der linken Rheinseite überlegt und hoffe, dass auch du meinen Tourenvorschlag vielleicht als Inspiration für eine eigene Erkundungstour in dieser Radsaison nutzt.
Vorbereitung ist die halbe Miete
Mit dem radtourenplaner.ruhr habe ich mir die Tourenidee ganz fix auf dem ausgeschilderten Knotenpunktsystem zusammengeklickt. Da ich bei der Navigation ein großer Komoot-Fan bin, habe ich den Track dann mit der GPX-Datei nach Komoot rübergezogen und dort noch leicht angepasst. Denn ich will ja schließlich nicht an den Halden vorbeiradeln, sondern auch rauf und das Panorama genießen.
Die Tour hätte auf dem Knotenpunktnetz eine Länge von 59 Kilometern, mit allen kleineren und größeren Abstechern wird mein Tourentipp am Ende 70 Kilometer mit für den Kreis Wesel doch beachtlichen 280 Höhenmetern. Für mich eine ideale Tourenlänge für einen erlebnisreichen Tag im Sattel. Ich bin wie schon so häufig mit Pascal unterwegs, der wieder viele der tollen Bilder geschossen hat. Und wie man auf den Bildern an manchen Stellen erkennen kann, waren wir Mitte März bei bestem Sonnenschein unterwegs.
Start am Bahnhof in Moers am Knotenpunkt 46
Als Startort habe ich den Bahnhof in Moers ausgewählt, sodass eine Anreise auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln für dich gut machbar ist. Wenn du mit dem Auto anreist und vielleicht sogar noch ein passendes Leihrad benötigst, könntest du auch an der RevierRad-Station auf dem Gelände der Zeche Friedrich Heinrich starten.
Vom Bahnhof aus geht es zunächst über eine ehemalige Bahntrasse nach Südwesten Richtung Knotenpunkt 40. Der Weg ist heute als Grafschafter Rad- und Wanderweg bekannt. Am Knotenpunkt 40 biegen wir ab zum Moerser Schloss mit seiner tollen Parkanlage. Leider ist auf diesem Teilstück die Ausschilderung nicht ganz optimal, daher ist ein Navi schon hilfreich. Außerdem empfehle ich dir anstelle des Knotenpunktsystems am Schlosspark direkt oben auf dem kleinen Damm zu fahren.
Das Schloss Moers und die tolle Altstadt
Für Fotografen bieten sich schöne Perspektiven am Schloss Moers an (hier hatte auch schon Verena drüber berichtet) und auch wenig später in der schönen Altstadt.
Schließlich verlassen wir Moers durch nicht ganz so tollen Stadtverkehr in Richtung Knotenpunkt 45. Es wird ländlich und wir radeln durch die für den Kreis Wesel so typische Mixtur aus kleinen Siedlungen, mehr oder weniger schicken Höfen und weiten Feldern. Wir queren die A 57 und stehen mitten in dieser platten Landschaft vor der doch imposant wirkenden Halde Norddeutschland mit dem weithin sichtbaren Hallenhaus.
Das Hallenhaus auf der Halde Norddeutschland
Am Knotenpunkt 47 solltest du kurzzeitig das ausgeschilderte Knotenpunktsystem verlassen und nach links im Uhrzeigersinn um die Halde fahren. So gelangst du an einem größeren Wanderparkplatz vorbei zu der asphaltierten Auffahrtrampe hoch zum Haldenplateau. Diese Rampe eignet sich für Trekkingradler eigentlich am besten, denn sie schlängelt sich in einigen wenigen Serpentinen nicht zu steil nach oben.
Dort angekommen, zieht uns das Stahlgerüst des Hallenhauses direkt an und wir können das tolle Panorama intensiv genießen.
Exkurs: Die Halde Norddeutschland
Im März 2001 wurde die Schüttung der Halde mit insgesamt über 80 Mio. Tonnen Gesteinsmaterial aus der Zeche Niederberg abgeschlossen. Sie liegt 74 Höhenmeter über dem Umland. Die „Himmelstreppe“ führt direkt zum Haldentop, auf dem das rund 10 Meter hohe Stahlgerüst des Hallenhauses thront. Die Halde ist vor allem bei Freizeitsportler:innen sehr beliebt – neben Radfahrenden und Wandernden auch bei Modellsegelflieger:innen, Paraglider:innen und Mountainbiker:innen.
Blick auf die Zeche Friedrich Heinrich
Vom nördlichen Haldenplateau können wir bereits unser nächstes Ziel in Kamp-Lintfort gut erkennen. Das Gelände der ehemaligen Zeche Friedrich Heinrich war 2020 Teil der Landesgartenschau. Die Zechentürme sind weithin sichtbare Landmarken. Zunächst radeln wir über einen Schotterweg in mehreren Serpentinen abwärts von der Halde Norddeutschland. Dann stoßen wir wieder auf das Knotenpunktnetz und folgen der 48. Die Route führt vorbei an mehreren Baggerseen, denn die Region hier ist auch bekannt und – wie zahlreiche Infobanner am Wegesrand zeigen – auch umstritten für ihren Kiesabbau. Zugegeben, hier sehen die Baggerlöcher auch noch nicht wirklich schön aus.
Nach dem Queren der Eisenbahngleise verlassen wir erneut das ausgeschilderte Knotenpunktsystem, denn wir wollen ja zur Zeche Friedrich Heinrich und die ist aktuell (Stand 2022) noch nicht direkt an das Knotenpunktnetz angeschlossen. Nach einer netten Durchfahrt durch die Altsiedlung Friedrich-Heinrich gelangen wir quasi direkt zum ehemaligen Landesgartenschaugelände.
Bergbaugeschichte zum Anfassen und Draufsetzen
Gleich am Anfang erwartet uns in meinen Augen das Highlight des gesamten Zechengeländes. Neben einem Besucherstollen können kleine wie auch große Entdecker:innen diverse Grubenzüge und Bergbaurelikte bestaunen. Die Exponate stehen ganz öffentlich zugänglich im Außenbereich und begeistern nicht nur neugierige Kinderaugen.
Das restliche Gelände der Landesgartenschau ist dagegen leider eher weniger spektakulär. Von der Gartenbauausstellung ist irgendwie nicht viel übrig geblieben, aber natürlich ragen die beiden Zechentürme schon recht imposant zum Himmel empor.
Der Wandelweg zum Kloster Kamp
Am nördlichen Ende des Zechengeländes folgen wir dem bestens ausgeschilderten Wandelweg zu unserem nächsten Highlight. Für Fußgänger:innen wurde der Weg bestens hergerichtet, wir müssen jedoch teilweise ein wenig über Straßenverkehr fahren.
Wir passieren einen etwas überdimensioniert wirkenden aber sehr schicken Wohnmobilstellplatz und erreichen schließlich das Kloster Kamp mit seiner wundervollen Gartenanlage.
Neben dem Klostercafé stehen hier auch einige andere Restaurants für die passende Stärkung zur Verfügung. Diese solltest du auch nutzen, denn auf den nächsten Kilometern gibt es nicht mehr so viele Einkehrmöglichkeiten.
Waldbaden auf zwei Rädern
Jetzt geht es rein in die herrliche Natur des Waldes. Wer auf schmalen Reifen nur die besten Wege erwartet, ist hier definitiv fehl am Platz. Es muss auch nicht gleich ein vollgefedertes Mountainbike sein, aber die Waldwege sind schon sehr naturnah angelegt und erfordern auch ein wenig Radel-Erfahrung, wenn zum Beispiel mal ein kleiner Ast quer über dem Radweg liegt.
Frische Luft und typische Waldmotive warten am Wegesrand, ansonsten können wir hier ein wenig Tempo machen und ordentlich Kilometer sammeln.
Halbzeit und Mittagespause in Alpen
Schließlich spuckt uns der Wald im beschaulichen Alpen wieder aus. Das kleine Städtchen hat nur wenig gemein mit dem gleichnamigen Gebirgsmassiv. Das einzige, was sich hier etwas höher auftürmt sind die leckeren Pommes bei Friture De Hollander. Für Pascal und mich gehört ja bekanntlich eine ordentliche Currywurst immer zu einer schönen Radtour dazu und ja, auch hier im Kreis Wesel lässt sich der Ruhrpott-Klassiker bestens genießen!
Auf zum Rhein
Nach ausgiebiger Pause radeln wir weiter auf dem Knotenpunktsystem Richtung Rhein. Die Landschaft ist wieder der typische Mix aus Feldern und kleinen Siedlungen. Eine alte Windmühle am Wegesrand warnt uns vor, dass der Wind hier einiges an Energie haben kann. Und ja, schon wenig später spüren wir diese Kraft… Leider aus der falschen Richtung.
Am Rhein angekommen kämpfen wir uns mit kräftigen Tritten in die Pedale nach Süden, dabei drückt uns der Wind mit aller Macht entgegen. Ich selber hab’s ja gut, weil ich mit dem E-Bike die passende Unterstützung habe. Pascals Begeisterung auf seinem Gravelflitzer schwindet dagegen zunehmend, zumal sich hier die Landschaft links und rechts auch nicht grade vor Abwechslung übertrumpft.
Strandgenuss in den Rheinauen
Wir gönnen uns eine passende Pause am Wasser und blicken auf die dicken Schiffe auf dem Rhein, die sich ebenso wie wir mühevoll flussaufwärts arbeiten oder zügig mit dem Wasser abwärts sausen.
Auch hier am Rhein wird der Bergbau noch sichtbar. Eine große Verladestation zeigt, dass der Rhein schon lange eine wichtige Transportachse für die heimischen Rohstoffe ist.
Ab ins Mittelalter
In Orsoy rutschen wir dann kurz in ein kleines Kontrastprogramm, denn das kleine Dörfchen mit schicker Kirche steht weniger für die Industrialisierung als für die mittelalterliche Geschichte der Region.
Über Felder geht es weiter Richtung Duisburg, ohne den starken Gegenwind können wir den Rhein nun auch beim Radeln wieder viel besser genießen. Auf der anderen Rheinseite sehen wir den Alsumer Berg und das große Stahlwerk, dann nähern wir uns am Knotenpunkt 23 dem letzten großen Besucherhighlight dieser Radtour.
Das Geleucht auf der Halde Rheinpreußen
Vor der markanten Eisenbahnbrücke verlassen wir den Radweg am Rhein und peilen nun die zweite große Halde dieser Radtour an. Das Geleucht thront auf der Halde Rheinpreußen und ist schon von weitem gut sichtbar. Über eine Auffahrtrampe geht es zunächst asphaltiert, später dann über Schotter hoch zum Haldenplateau. Die gewaltige Grubenlampe gehört zu den in meinen Augen tollsten Fotomotiven des Ruhrgebiets. Dabei sorgt bei mir vor allem der Blick auf Duisburg und dem dahinterliegenden Pott jedes Mal für Gänsehaut und ein intensives Heimatgefühl ganz tief im Herzen.
Die Schlussetappe zurück nach Moers
Nach der Abfahrt folgen die letzten Kilometer zurück zum Ausgangspunkt. Ich bin überrascht über die große Arbeitersiedlung der Gartenstadt Meerbeck. Auch sie steht für die Bergbaugeschichte der Region und passt somit ideal zum Abschluss der Tour.
Exkurs: Die Geschichte der Gartenstadt Meerbeck
Anfang des 20. Jahrhunderts entstand diese Arbeitersiedlung als Gartenstadt für nahezu 10.000 Einwohner. Ziel war es, dass die Mitarbeiter der Zeche Rheinpreußen mit gleich mehreren Schachtanlagen im direkten Umfeld wohnen konnten. So entstand eine in sich geschlossene Kommune, die bis heute für ein persönliches Miteinander unterschiedlicher Kulturen steht.
Noch ein wenig Stadtverkehr auf einem straßenbegleitenden Radweg, dann stehen wir wieder direkt vor dem Bahnhof in Moers.
Unser Fazit: Eine schicke Tour für erfahrene Radler:innen.
Auch wenn die Tour fast komplett über das Knotenpunktsystem führt, ist die Wegequalität nicht durchgehend ideal. Einsteiger:innen werden sich daher sicherlich etwas schwer tun, zumal natürlich auch die Tourenlänge eher etwas für erfahrene Radfahrende ist. Wenn du aber regelmäßig im Sattel unterwegs bist und vielleicht ebenso wie wir die Ecke ganz im Westen des Ruhrgebiets noch nicht so gut kennst, dann lohnt sich dieser Radausflug in jedem Fall.
Nicht jeder denkt ja beim Stichwort Industriekultur direkt an den Kreis Wesel, dabei gehören die Überbleibsel des Bergbaus hier im Westen zu den wirklich sehr sehenswerten Standorten, die noch dazu die Leidenschaft eines jeden Fotoliebhabers wecken. Wenn du diese Mischung aus Industriekultur und Naturerlebnis genauso toll findest, dann wünsche ich dir viel Spaß beim Nachradeln!