Auch wenn Kohle und Stahl längst nicht mehr die Hauptrollen im Ruhrgebiet spielen, erlaubt uns die Industriegeschichte heute, einzigartige Aktivitäten vor unverwechselbaren Kulissen zu erleben. Ich selbst wohne gar nicht allzu weit entfernt und hätte somit ohne großen Aufwand den ein oder anderen Wochenendausflug ins Ruhrgebiet unternehmen können. Trotzdem habe ich mich viel zu häufig dagegen entschieden. Demzufolge habe ich mir zahlreiche Male die Chance auf eine aufregende Alltagsabwechslung genommen. Damit Euch nicht dasselbe passiert und Ihr nicht Gefahr lauft, wertvolle Lebenszeit an weniger interessanten Orten zu verschwenden, möchte ich Euch zeigen, was Ihr an einem Wochenende im Ruhrgebiet alles erleben könnt.
Ruhrgebiet Tipp Nr. 1 – Klettern über Hochöfen
Damals wurde an der Stelle, wo sich heute der Landschaftspark Duisburg Nord befindet, spezielles Roheisen für den Maschinenbau hergestellt. In den Hochzeiten wurde in dem ehemaligen Hüttenwerk in insgesamt 5 Hochöfen „gefeuert“. Bevor 1985 der Betrieb vollends eingestellt wurde, wurden in den 82 Jahren Werksbestehen rund 37 Millionen Tonnen Rohstahl produziert. Heute ist das ehemalige Produktionsareal eine aufregende und vor allem vielseitige Natur- und Kulturlandschaft, wo geklettert, spaziert, fotografiert und sogar getaucht werden kann.
Meine Lieblingsattraktion ist der Hochseilparcours. Er beginnt in einer ehemaligen Gießhalle, wo es abenteuerliche Hindernisse, wie dickere und dünnere Balken, Fässer oder eine Reifenwand zu überwinden gilt. Später geht der Parcours auf einem der ehemaligen Hochöfen weiter. Schwindelfrei solltet Ihr auf jeden Fall sein, denn die Klettertour geht hinauf auf bis zu 50 Meter! Ich dachte eigentlich, ich hätte keinerlei Höhenangst, jedoch bekam ich mit dem Blick nach unten ziemlich schwitzige Hände und zittrige Knie. Belohnt wird Euer Mut aber allemal und zwar mit einzigartigen und wunderschönen Ausblicken auf das Ruhrgebiet.
Ruhrgebiet Tipp Nr. 2 – Eine Nacht in der Röhre
Beim BernePark in Bottrop handelt es sich um ein ehemaliges Klärwerk, welches in den 50er Jahren sogar zu den größten und fortschrittlichsten Klärwerken Europas gehörte. Im Jahre 2010 entstand aus dem Werk im Zuge eines Kunstprojektes eine offene Parkanlage. Die zwei Klärbecken sind dabei erhalten geblieben. Eines der Becken ist heute über eine Brücke begehbar, das Zweite hat sich in einen wunderschönen Senkgarten verwandelt. Noch spektakulärer ist allerdings das Parkhotel.
In alten Abflussröhren kann hier von Mai bis Ende September gegen eine „pay as you wish“-Abgabe genächtigt werden. Mit der direkten Lage am Emscher Radweg eignet sich die ungewöhnliche Herberge ideal als Übernachtungsstopp für all diejenigen, die das Ruhrgebiet per Rad erkunden (das habe ich übrigens schon selbst getestet und kann es Euch nur empfehlen!). Beruhigen kann ich Euch auch: Ein „Zimmer“ wiegt 9,5 Tonnen, womit eher keine Gefahr besteht, dass sich die Röhren in der Nacht verselbstständigen.
Ruhrgebiet Tipp Nr. 3 – Halden-Hopping
Falls Ihr denkt im Ruhrgebiet gäbe es keine Gipfel zu erklimmen, liegt Ihr ganz schön falsch. Na gut, vielleicht sind es keine 2.000er-Gipfel, aber dafür sehenswerte Abraumhalden. Halden sind Anhäufungen der Nebengesteine des Bergbaus. Also schlichtweg das, was man aus der Erde geholt hat, wofür es aber keine Verwendung gab.
Heute wurden diese Orte rekultiviert und sind zu anziehenden Erholungspunkten im sonst so trubeligen Ruhrgebiet geworden. Von den Haldengipfeln lassen sich einzigartige Aussichten auf das Umland genießen. Außerdem wurden einige der Halden mit künstlerisch gestalteten Landmarken versehen. In Duisburg könnt Ihr beispielsweise die bekannte Landmarke Tiger and Turtle bewundern, eine begehbare Achterbahn, die außerdem eine unverwechselbare Fotokulisse bietet. Weitere Landmarken sind beipielsweise der Tetraeder in Bottrop oder die dreißig Meter hohe Skulptur Geleucht auf der Halde Rheinpreußen. Extrem cool finde ich das einfallsreiche Konzept des sogenannten „Halden-Hoppings“. Auf verschiedenen Wanderwegen wird dabei von Halde zu Halde die Region erkundet. Unterstützt wird das ganze mit einer entsprechenden App.
Ruhrgebiet Tipp Nr. 4 – Ein Nickerchen unter dem Matterhorn
Der 117,5 Meter hohe und 67,6 Meter breite Gasometer in Oberhausen war zwischen Ende der 20er und den späten 80er Jahren ein wichtiger Bestandteil der Industrie des Ruhrgebiets. In dem riesigen, an eine Tonne erinnernden Gebäude wurde Gas gespeichert und kontrolliert nach Bedarf wieder abgegeben, um die umliegenden Industrieanlagen zu befeuern.
Der Gasometer bietet einen einzigartigen Raum für kulturelle Veranstaltungen rund um Kunst, Theater und Musik. Mit einem außen liegenden Aufzug erreicht Ihr bequem nach wenigen Sekunden das Dach. Das Bewältigen der 592 Stufen war mir an diesem Tag doch etwas zu anstrengend, aber vielleicht seid Ihr ja motiviert genug.
Von hier oben habt Ihr einen faszinierenden 360°-Blick auf das Umland, bevor es mit einem zweiten, innen liegenden, gläsernen Fahrstuhl mitten hinein in die aktuelle Ausstellung „Der Berg ruft“ geht. Man rauscht direkt an dem Herzstück der Ausstellung vorbei, einer auf dem Kopf stehenden gigantischen Nachbildung des Matterhorns. Sie befindet sich im 100 Meter hohen Luftraum des Gasometers. Mit moderner Technik wird detailgetreu der Wechsel von Tages- und Jahreszeiten auf die Nachbildung projiziert. Das Ganze kann außerdem aus der Vogelperspektive beobachtet werden, denn auf dem Boden in der Mitte des Raumes wird der Gipfel gespiegelt. Ich machte es mir auf einem der Sitzsäcke im Raum bequem und schlummerte so mit der einmaligen Aussicht auf das Matterhorn dahin. Kann ich wärmstens empfehlen!
Ruhrgebiet Tipp Nr. 5 – Skywalk Phoenix-West
Falls Euch ein gewöhnlicher Spaziergang zu langweilig ist, kann ich euch den Skywalk Phoenix-West in Dortmund ans Herz legen. Als erstes müsst Ihr 99 Stufen erklimmen, um Euch auf der ehemaligen Gasleitung des Hochofenwerks Phoenix-West in 26 Meter Höhe zu befinden. Über den auf dieser Leitung installierten Skywalk wird der Hochofen erreicht. Hier erlebt man Industriekultur hautnah, denn der Spaziergang führt mitten durch die Industrieanlage weiter hinauf auf den Hochofen. Wer auch weiterhin schwindelfrei bleibt, erreicht sein Ziel auf 63 Meter Höhe und genießt einen atemberaubenden Blick auf das Gelände und Umland.
Nach diesem nicht ganz unanstrengenden Aufstieg hat man sich zweifellos eine Belohnung verdient. Ich empfehle ein kühles Bier in der Stehbierhalle der Dortmunder Bergmann Brauerei. Diese befindet sich ebenfalls auf dem Gelände und bietet eine kleine aber feine Auswahl an direkt vor Ort gebrauten Bieren. Cheers!
Ein Wochenende im Ruhrgebiet – Mein Fazit
Das verlängerte Wochenende im Ruhrgebiet hat wieder einmal gezeigt, was eigentlich auf der Hand liegt. Man braucht weder zwei Wochen Urlaub am Stück oder ein teures Flugticket, um eine spannende Abwechslung vom Alltag zu erleben. Trotzdem hatte auch ich die Region im Westen Deutschlands absolut unterschätzt. Spätestens nach den Erlebnissen des Wochenendes, habe ich allen Grund wiederzukommen, um weitere Punkte auf meiner neuen Ruhrgebiet-Bucket-List abzuhaken. Dort sind Punkte zu finden, wie zum Beispiel Tauchen im Gasometer des Landschaftsparks Duisburg-Nord, Essen in einem der tollen Restaurants im Duisburger Innenhafen, Halden-Hopping, Schwimmen im Werksschwimmbad auf Zollverein im Sommer und und und… Und wann startet Ihr in Euer Ruhrpott-Wochenende mit Industriekulturflair?
Ein Artikel von Franka Vollrath
Hallo! Ich heiße Franka, bin ein detailverliebter Freigeist und eine reiselustige Kaffeeliebhaberin. Außerdem mag ich Abenteuer in der Natur – am liebsten mit Hund Eddy an meiner Seite – und entdecke gerne die schönsten Viertel in den verschiedensten Städten. Was ich so erlebe teile ich seit einigen Jahren auf meinem Blog detailidee. Meine Heimat ist das schöne Rheinland und somit befinde ich mich in der glücklichen Situation direkter Nachbar des Ruhrgebiets zu sein, was ich zukünftig zweifellos noch mehr ausnutzen werde.
Vielen Dank für deine Tipps zur Industriekultur im Ruhrgebiet. Mein Opa hatte im Ruhrgebiet eine Werkstatt mit einem Industrieofen für individuelle Anforderungen. Gut zu wissen, dass es heute dort möglich ist, die alten Hüttenwerke und Hochöfen zu erkunden.